Das Jahr der stillen Sonne
Für diese erste Erkundung brauchen wir Männer wie Moresby, Saltus und Sie. Moresby und Sie verkörpern natürliche Gegensätze, während Saltus das neutrale Gewicht in der Mitte darstellt. Ich sage Ihnen, ich weiß genau, was ich tue.«
»Moresby hält mich für übergeschnappt.«
»Ganz recht. Und für was halten Sie ihn?«
»Auch für übergeschnappt«, bestätigte Chaney grinsend.
Seabrooke gestattete sich ein frostiges Lächeln. »Entschuldigen Sie, aber beide Meinungen haben etwas für sich. Auch der Major hat ein Hobby, das ihm manchmal Unannehmlichkeiten einbringt.«
Chaney stöhnte laut. »Diese verdammten Propheten!« Er sah zu Moresby hinüber. »Warum sammelt er keine Zinnsoldaten oder wird der beste Schachspieler der Welt?«
»Warum schreiben Sie keine Kochbücher?«
Chaney sah auf seine Brust hinab. »Mitten ins Herz getroffen!« stellte er fest.
»Sie lesen gern die Vergangenheit, während der Major die Zukunft vorzieht«, sagte Seabrooke. »Ich gebe allerdings zu, daß Ihr Hobby nützlicher ist.«
»Noch ein Futurologe! Sammeln Sie Futurologen?«
»Er verläßt sich blindlings auf bestimmte Vorhersagen«, erklärte Seabrooke ihm. »Das beginnt damit, daß er jeden Morgen sein Horoskop in der Zeitung liest und dementsprechend handelt. Er hat Kathryn nach seiner Ankunft erzählt, dieser Auftrag sei keine Überraschung für ihn, weil sein Horoskop ihn auf eine berufliche Veränderung vorbereitet habe.«
»Das ist nichts Besonderes«, meinte Chaney. »Schon die alten Ägypter waren ganz versessen auf Astrologie. Sie ist die dauerhafteste Religion.«
»Der Major hat auch eine Bibliothek von vierzig oder fünfzig Bänden, die er überallhin mitnimmt«, fuhr Seabrooke fort. »Die Autoren sind Leute wie Nostradamus, Shipton, Blavatsky, Forman oder diese Miss Cromwell in Washington. Eines der Bücher ist von dem Verfasser, einem gewissen Guinness, signiert; Moresby hat ihn anläßlich eines Vortrags kennengelernt. Wir haben uns damit befaßt, weil Guinness ein Sicherheitsrisiko hätte sein können – aber er hat sich als harmlos erwiesen. Erst vor kurzem hat Moresby sich Ihr Buch gekauft.«
»Dann hat er sein Geld vergeudet«, behauptete Chaney.
»Glauben Sie, daß ich auch meines vergeudet habe?«
»Wenn Sie nach brauchbaren Prophezeiungen suchen – ja. Wenn Sie sich für biblische Kuriositäten interessieren – nein.«
Seabrooke warf ihm einen prüfenden Blick zu. »Aber Sie merken, wie ich Moresby ausnutze?«
»Ja – wie mich.«
»Ganz recht. Ich bilde mir ein, das beste Team für das wichtigste Unternehmen des zwanzigsten Jahrhunderts zusammengestellt zu haben. Es gibt keine Wegweiser in die Zukunft; es gibt nur spekulative Studien und pseudo-spekulative Literatur. Ich setze auf beide Pferde, indem ich Sie und Moresby losschicke. Einem von Ihnen wird die Zukunft vertraut sein, wenn er sie erreicht. Was hätte ich noch tun können, Chaney?«
»Sie haben einen Wolf an den Ohren gepackt. Vielleicht wäre es gut, sich zu überlegen, wie Sie ihn wieder loslassen könnten.«
Seabrooke schwieg nachdenklich. »Einen Wolf an den Ohren gepackt … Ja, das habe ich getan, Chaney. Unser Unternehmen ist mit dem ersten Raketenstart, dem ersten Raumflug oder der ersten Mondlandung vergleichbar. Selbst wenn ich wollte, könnte ich es nicht mehr abblasen!«
»Warum reisen Sie nicht selbst in die Zukunft?« fragte Chaney plötzlich.
»Ich habe mich freiwillig gemeldet, aber bei der ersten Untersuchung hat sich herausgestellt, daß ich einen Herzfehler habe.« Seabrookes Stimme klang enttäuscht. »Auch das ist eine Parallele zum Raumflug, Chaney. Alte, schwache und kränkliche Männer können nicht in die Zukunft reisen. Wir sind ausgeschlossen.«
Seabrooke sah wieder zu Katrina hinüber, und Chaney folgte seinem Blick. Sie saß jetzt neben Saltus auf einer Hollywoodschaukel. Die beiden unterhielten sich angeregt. Chaney wandte sich ab; auch er fühlte sich ausgeschlossen.
Nach einiger Zeit stellte er die Frage, die ihn im Unterbewußtsein beschäftigte. »Katrina hat Saltus und mir erzählt, daß Sie zwei Ausweichziele bestimmt haben, falls wir nicht in die Zukunft vordringen können. Welche?«
»Was ich Ihnen erzähle, bleibt unter uns, Chaney?«
»Selbstverständlich.«
»Ich kenne den Präsidenten besser, als Sie ihn kennen.«
»Das gestehe ich Ihnen zu.«
»Ich weiß genau, womit er niemals einverstanden wäre.«
Chaney nickte langsam. »Er lehnt Ihre Vorschläge also ab?«
»Er
Weitere Kostenlose Bücher