Das Jahr der stillen Sonne
Füßen nach vorn drücken. Wir sorgen für die Hinreise; Sie bestimmen den Zeitpunkt der Rückreise selbst. Wir holen Sie nur in Notfällen zurück.«
»Und das Fahrzeug wartet am Ziel auf mich?«
»Richtig. Es bleibt am Zielpunkt, bis es von uns oder von Ihnen aktiviert wird. Das ZVF kann sich nur bewegen, wenn es von einem gleichbleibenden elektrischen Schub angetrieben wird. Die Tachyonengeneratoren liefern diesen Schub, den das Ablenkgitter in einen Bewegungsimpuls umwandelt. Das ZVF operiert in einem künstlich erzeugten Vakuum, das dem Fahrzeug eine Millisekunde weit vorauseilt und ihm einen Zeitpfad bahnt. Drücke ich mich klar genug aus?«
»Nein«, antwortete Chaney.
Der Ingenieur verzog das Gesicht. »Vielleicht lesen Sie am besten erst einmal ein gutes Buch über Tachyonendeflektoren.«
»Warum nicht? Wo bekomme ich eines?«
»Nirgends. Es müßte erst geschrieben werden.«
»Brauchen Sie den Atomreaktor wirklich?« wollte Chaney wissen.
»Allerdings! Unser bestes Stück braucht verdammt viel Energie. Der Reaktor gehört nur uns.«
Chaney zog die Augenbrauen hoch. »Er versorgt nicht die ganze Station? Wieviel Energie brauchen Sie denn, um das Fahrzeug in die Zukunft zu befördern?«
»Fünfhundert Megawatt für jeden Start.«
Chaney und Saltus stießen gleichzeitig einen überraschten Pfiff aus. »Ist die Energieversorgung wirklich gesichert?« fragte Chaney den Ingenieur. »Kann sie nicht ausfallen? Was passiert, wenn …«
»Unser Reaktor ist erdbebensicher gebaut, Mr. Chaney. Alle Stromkabel sind unterirdisch verlegt. Die Anlage ist so konstruiert, daß sie mindestens zwanzig Jahre ohne Reparatur betrieben werden kann.« Eine wegwerfende Handbewegung deutete überlegene Planung, überlegenes Wissen an. »Sie können ganz unbesorgt sein – notfalls liefert der Reaktor noch in fünfhundert Jahren genug Energie für Ihre Rückkehr.«
Chaney blieb skeptisch. »Halten Kabel und Transformatoren fünfhundert Jahre lang?«
Der Ingenieur winkte irritiert ab. »Das erwarten wir selbstverständlich nicht! Die gesamte elektrische Anlage wird alle zwanzig Jahre nach einem genau festgelegten Plan erneuert. Wir haben an alles gedacht.«
Chaney versetzte dem Tank einen Fußtritt. »Vielleicht wird der Tank undicht.«
»Polywasser läuft nicht aus. Es ist dickflüssig und in Kapillarröhren gespeichert. Hier haben Sie neunundneunzig Prozent der Weltproduktion vor sich.« Er folgte Chaneys Beispiel und trat gegen die Betonwand. »Die ist dicht!«
»Wovon stößt das ZVF sich ab? Von diesem Polywasser?«
Der Ingenieur warf ihm einen Blick zu, als habe er einen Schwachsinnigen vor sich. »Es schwimmt auf dem Polywasser, Mr. Chaney. Ich habe Ihnen doch vorhin erklärt, daß der Schub gegen das Ablenkgitter den Bewegungsimpuls liefert.«
»Aha!« sagte Chaney. »Jetzt ist mir alles klar!«
»Mir nicht«, gab Arthur Saltus zu. Er stand am Bug des Fahrzeugs und starrte durch das Bullauge ins Innere. »Wie wird das Ding eigentlich gesteuert? Ich sehe kein Ruder oder Steuerrad.«
Der Ingenieur überlegte offenbar, ob er den Raum verlassen und die Führung einem Untergebenen übertragen sollte. »Das Fahrzeug wird mit Hilfe eines Quecksilbergyroskops gesteuert, Mr. Saltus.« Er zeigte auf einen Metallwürfel, der hinter dem Bullauge neben der Kamera montiert war. »Durch dieses Instrument hier. Es ist ursprünglich von der Marine zur Steuerung interplanetarer Raumschiffe entwickelt worden.«
Arthur Saltus nickte zufrieden. »Gut, was?«
»Überragend. Quecksilbergyroskope sind weder durch Erschütterungen, Bewegungen, Vibrationen oder Lageveränderungen zu beeinflussen. Dieses Gerät bringt Sie ans Ziel und wieder zurück – darauf können Sie sich verlassen!«
»Wie?« fragte Major Moresby. »Erklären Sie uns das bitte. Es interessiert mich.«
Der Ingenieur lächelte dankbar, weil er endlich einen halbwegs intelligenten Menschen gefunden hatte. »Das Gyroskop kontrolliert ständig Ihren Kurs, Mr. Moresby, und meldet uns jede Abweichung. Unser Computer veranlaßt dann die notwendigen Korrekturen. Das dauert nur wenige Millisekunden. Sie merken natürlich nichts von diesem Vorgang.«
»Garantieren Sie dafür, daß wir unser Ziel erreichen?« wollte Saltus wissen.
»Mit einer möglichen Abweichung von vier Minuten pro Jahr, Mr. Saltus. Dieses System läßt keinen größeren Fehler als plus oder minus vier Minuten jährlich zu. Das ist sehr zuverlässig. Selbst die Russen können es nicht
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