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Das Jahr der stillen Sonne

Das Jahr der stillen Sonne

Titel: Das Jahr der stillen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilson Tucker
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wird sie empört zurückweisen! Sie können sich darauf verlassen, daß er einen Wutanfall bekommt, wenn er sie hört!« Seabrooke schlug mit der Faust auf das Tischchen neben seinem Liegestuhl, so daß sein Glas umkippte. »Ich wollte die Zukunft mit eigenen Augen sehen, aber ich bin ausgebootet worden, bevor es überhaupt soweit war. Für mich gibt es nur noch die Möglichkeit, sie durch die Augen meines Teams zu sehen, Chaney – durch Ihre Kamera, Ihre Beobachtungen und Ihre Reaktionen. Ich bin entschlossen, das zu tun, weil mir nichts anderes übrigbleibt.
    Deshalb habe ich zwei Ausweichziele bestimmt, die der Präsident genehmigen müßte. Ich habe dafür gesorgt, daß sie für ihn unannehmbar sind, so daß er uns anweisen wird, bei dem ursprünglichen Ziel zu bleiben. Ich will die Zukunft sehen!«
    »Unannehmbar?« fragte Chaney.
    Seabrooke nickte. »Der Präsident ist ein tiefreligiöser Mann. Er würde niemals zulassen, daß wir die Kreuzigung filmen.«
    »Nein, bestimmt nicht.« Chaney runzelte die Stirn. Er fügte hinzu: »Aber nicht wegen der religiösen, sondern wegen der politischen Konsequenzen. Er fürchtet die Reaktion der Öffentlichkeit.«
    »Dann müßte ihn die zweite Alternative noch mehr erschrecken«, behauptete Seabrooke.
    »Welche?«
    »Das zweite Ausweichziel ist Dallas im November 1963. Ich habe vor, die Ermordung Präsident Kennedys objektiv festhalten zu lassen. Ein Kameramann soll im fünften Stock des Buchlagers stehen, von dem aus die Fahrtroute zu überblicken ist; der zweite Mann wird auf dem Hügel zwischen den Bäumen postiert; und der dritte Kameramann – Sie, Chaney – soll Kennedys Wagen aus nächster Nähe filmen, während die Schüsse fallen. Dann haben wir einen Film, der den genauen Tathergang zeigt, Chaney.«

7
     
    Das ZVF war eine große Enttäuschung.
    Brian Chaney sah ein, daß er vielleicht zuviel erwartet hatte. Vielleicht hatte er sich eine vor Chrom, Glas und Email blitzende Maschine vorgestellt, die eben vom Fließband gekommen war. Oder er hatte ein mechanisches Ungetüm aus einem Horrorfilm erwartet, dessen Stromkabel sich wie Fangarme davonschlängelten und das durch sein eigenes Gewicht im Boden zu versinken drohte.
    Das Fahrzeug entsprach keiner dieser Vorstellungen. Es war ein häßliches Ding aus Aluminium und Plastik, auf das jemand mit. Kreide die Zahl 2 gemalt hatte. Es war unromantisch. Es war streng funktionell.
    Das ZVF bestand hauptsächlich aus einem zweieinhalb Meter langen Aluminiumzylinder, der in einem mit Polywasser gefüllten Betonbecken schwamm. Der Zylinder bot kaum Platz genug für einen einzelnen Mann, der die Reise in die Zukunft auf dem Rücken liegend antreten mußte. Der Passagier streckte sich auf einer Art Hängematte aus Gurtzeug aus, fand zwei Griffe für seine Hände und stellte die Füße auf eine bewegliche Querstange am unteren Ende des Zylinders. Für Ein- und Ausstieg war eine kleine Luke an der Oberseite vorgesehen. In den Bug des Fahrzeugs war nachträglich ein Bullauge eingesetzt worden, durch das der Passagier die Wanduhr mit Datumsanzeige sehen konnte. Mehrere daumendicke Elektrokabel schlängelten sich vom ZVF aus über den Fußboden zur Wand, hinter der das Kontrollzentrum lag. An dem Polywasser-Tank lehnte eine kurze Metalleiter.
    Das Ding sah aus, als sei es in irgendeiner Hinterhofwerkstatt zusammengebastelt worden.
    »Das soll funktionieren?« fragte Chaney ungläubig.
    »Ganz bestimmt!« versicherte Seabrooke ihm.
    Chaney stieg über die Kabel und machte auf Einladung eines Ingenieurs einen Rundgang um das Fahrzeug. An der Wand über der Uhr waren die beiden Fernsehkameras zur Überwachung des Kellerraums montiert; sie erinnerten Chaney an wartende Aasgeier. Ein Metallspind an der Tür sollte die abgelegten Kleidungsstücke des Reisenden aufnehmen. In die hohe Decke eingelassene Leuchtstoffröhren tauchten den Raum in kaltes Licht. Die Luft war hier kühl und eigenartig trocken.
    Auch der Aluminiumzylinder war kühl, als Chaney ihn berührte. Er bekam dabei einen leichten elektrischen Schlag, als die statische Elektrizität sich entlud.
    »Wie haben die Affen das Fahrzeug gelenkt?« erkundigte er sich.
    »Selbstverständlich gar nicht«, antwortete der Ingenieur, der keinen Sinn für Humor zu haben schien. »Unser Fahrzeug kann auch ferngesteuert werden, Mr. Chaney. Alle Reisen werden vom Kontrollraum aus gestartet, aber Sie haben die Aufgabe, das Fahrzeug zurückzubringen, indem Sie die Querstange mit den

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