Das Jahr der stillen Sonne
Bildschirme, auf denen das Fahrzeug, der Schutzraum, das Lager und der anschließende Korridor kontrolliert werden können.«
»Woher wissen Sie überhaupt, daß das Fahrzeug sich bewegt?« fragte Chaney neugierig. »Verdrängt es irgend etwas?«
»Nein, es bewegt sich nicht selbst durch den Raum. Das Fahrzeug bleibt ständig am gleichen Platz, solange wir es nicht anderswohin transportieren. Aber es funktioniert und zerteilt Zeitebenen ebenso mühelos, wie die Leute im Swimming-pool das Wasser zerteilen, wenn sie hineinspringen.«
»Wie können Sie das beweisen?«
»Wir haben am Bug des Fahrzeugs eine Kamera montiert, die auf eine elektrische Uhr mit Kalender gerichtet war. Diese Kamera hat nicht nur vergangene Stunden und Tage aufgenommen, sondern sogar die Wand abgebildet, wie sie aussah, bevor die Uhr dort angebracht wurde. Wir wissen, daß das ZVF ein Jahr weit in die Vergangenheit eingedrungen ist.«
»Irgendwelche Auswirkungen auf die Affen?«
»Keine. Sie waren kerngesund und munter.«
»Was haben Sie getan, um einen ähnlichen Unfall zu verhindern?«
»Wie meinen Sie das?« fragte Seabrooke scharf.
»Was passiert, wenn die Maschine einen Punkt in der Vergangenheit erreicht, in dem das Kellergeschoß noch gar nicht existiert?«
»Das darf einfach nicht passieren«, antwortete der Projektleiter rasch. »Stichtag ist der erste Januar 1942. Weiter darf das Fahrzeug nicht in die Vergangenheit eindringen.« Er leerte sein Glas und stellte es ab. »Chaney, wir haben uns mit der Vorgeschichte des Laborgebäudes befaßt, um diesen Punkt genau festzulegen. Wir wissen, daß dort 1901 ein Farmhaus mit großem Keller errichtet wurde, das noch stand, als das Gelände 1940 von der Regierung aufgekauft wurde, weil hier eine Munitionsfabrik gebaut werden sollte. Dieses Haus ist erst durch unser Laboratorium ersetzt worden, nachdem der Keller sorgfältig vermessen worden war. Heute schwimmt das ZVF in einem geschlossenen Polywasser-Tank einen Meter über dem früheren Kellerboden, wo sich nichts anderes befunden haben kann.«
»Warum ist der Stichtag der erste Januar 1942? Warum nicht der erste Januar 1902?«
»Wir haben uns für einen Termin nach der Räumung des Farmhauses entschieden«, antwortete Seabrooke. »Das ist ein zusätzlicher Sicherheitsfaktor.«
»Ich möchte diesen Polywasser-Tank einmal sehen.«
»Dazu haben Sie noch Gelegenheit. Sie müssen sich ohnehin mit allen Einzelheiten der Operation vertraut machen. Sind Sie schon beim Arzt gewesen?«
»Ja.«
»Waren Sie auf dem Schießplatz?«
»Nein. Ist das wirklich nötig?«
»Ein Sicherheitsfaktor, Chaney. Wir versuchen, alles im voraus zu berücksichtigen. Diese Ausbildung ist vielleicht überflüssig, aber man kann nie wissen …«
»Das klingt pessimistisch. In welcher Beziehung könnte sie überflüssig sein?«
»Entschuldigen Sie, ich habe nicht daran gedacht, daß Sie lange im Ausland waren. Voraussichtlich wird der Waffenbesitz für Privatpersonen demnächst verboten. Präsident Meeks ist sehr dafür, wissen Sie.«
»Das wird dem Major gefallen«, murmelte Chaney geistesabwesend. »Er glaubt ohnehin nicht, daß Zivilisten imstande sind, mit einer Waffe richtig umzugehen.«
Er starrte auf die andere Seite des Beckens hinüber, wo Katrina am Rand saß, die Füße ins Wasser hängen ließ und eben ihre Badekappe abstreifte. Arthur Saltus saß dicht neben ihr. Jetzt legte er ihr vertraulich einen Arm um die Schultern. Katrina lachte über etwas, was er zu ihr sagte.
Chaney beobachtete weiter die junge Frau – und Saltus neben ihr –, obwohl er in Gedanken bei Seabrookes Erklärungen war. Er dachte über das ZVF nach. Aber er konnte sich das Fahrzeug nicht vorstellen und begriff erst recht nicht, wie es funktionierte – dafür reichten seine naturwissenschaftlichen Kenntnisse nicht aus. Aber es funktionierte: Von dieser Tatsache ging er aus. Das spürte er bei jedem Test, wenn das Gummiband gegen sein Trommelfell zu schnellen schien.
»Sie haben ein verdammt merkwürdiges Team zusammengestellt«, sagte Chaney einige Zeit später.
»Wie kommen Sie darauf?«
»In dem Team ist kein einziger Ingenieur oder Wissenschaftler. Moresby und ich lieben uns wie eine Kobra und ein Mungo. Ich bin der Mungo, glaube ich. Wollen Sie das Team nicht noch umbilden?«
»Ich weiß, was ich tue, Chaney. Die Wissenschaftler bekommen später ihre Chance, wenn es sinnvoll ist, sie eine Reise machen zu lassen. Wann hat der erste Selenograf den Mond betreten?
Weitere Kostenlose Bücher