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Das Jahr der stillen Sonne

Das Jahr der stillen Sonne

Titel: Das Jahr der stillen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilson Tucker
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brüllte: ›Langsam durchziehen … nicht durchreißen … Druckpunkt nehmen … Augen auf!‹ Chaney hatte sich Mühe gegeben, aber er war ein so miserabler Schütze, daß Moresby ihm schließlich das Gewehr aus der Hand gerissen und in rascher Folge fünf Zehner geschossen hatte.
    Die Ausbildung mit der Pistole war noch schlimmer gewesen. Chaney konnte die Waffe nicht ruhig genug halten und verfehlte das Ziel bei zehn Schüssen achtmal. Die beiden anderen Schüsse saßen am äußersten Rand der Scheibe. Auch nach dem fünfzigsten Schuß traf er keineswegs besser.
    »Gebt dem Zivilisten eine Schrotflinte!« murmelte Moresby und stapfte davon.
    Arthur Saltus lehrte ihn fotografieren.
    Chaney kannte gewöhnliche Kameras, wie sie auch für Reproduktionen benutzt wurden, aber Saltus führte ihn in eine völlig neue Welt ein. Die Holograf-Kamera war neu; sie lieferte Bilder auf hauchdünnen Nylonnegativen, die unglaublich widerstandsfähig waren. Saltus scheuerte ein Negativ mit Sandpapier ab und bewies Chaney dann, daß es trotzdem noch brauchbare Abzüge lieferte. Die Lichtverhältnisse spielten fast keine Rolle mehr, weil die Holografie mit wesentlich geringeren Lichtmengen auskam.
    Chaney experimentierte mit einer Kamera, die er auf der Brust trug, so daß das Objektiv Aufnahmen durch ein Knopfloch seiner Jacke machte. Eine andere paßte unter die linke Achsel, hatte ein winziges Objektiv, das eine Anstecknadel an seinem Revers zu sein schien, und wurde durch einen Fernauslöser mit der linken Hand betätigt. Eine massive Gürtelschnalle, eine Armbanduhr und eine Hornbrille enthielten Geheimkameras, während eine harmlos zusammengefaltete Zeitung und ein eleganter Diplomatenkoffer in Wirklichkeit Filmkameras verbargen. Die Mikrofone für die unter der Kleidung zu tragenden Tonbandgeräte waren Knöpfe, Anstecknadeln, Krawattenhalter oder Kragenstäbchen.
    Er brachte meistens annehmbare Bilder zustande – es war schwierig, mit einer Holograf-Kamera schlechte Bilder zu machen –, aber Saltus war oft unzufrieden und zeigte ihm, wie das Bild besser geworden wäre. Katrina wurde zur Übung mindestens hundertmal fotografiert, aber sie nahm es geduldig hin.
    Chaney drehte sich im Wasser um und schwamm zum Beckenrand. Als er die Leiter hinaufstieg, sah er sich zu seiner Überraschung Arthur Saltus gegenüber. Der andere grinste unbekümmert.
    »Morgen, Zivilist! Was gibt’s Neues im alten Ägypten?«
    Chaney sah an ihm vorbei. »Wo ist …«, begann er.
    »Ich habe sie noch nicht gesehen«, antwortete Saltus. »Sie war nicht in der Kantine. Ich dachte, sie wäre hier bei Ihnen.«
    Chaney trocknete sich das Gesicht ab. »Nein, hier ist sie nicht. Ich habe das Becken für mich allein gehabt.«
    »Ha, vielleicht ist der alte William uns beiden über! Wahrscheinlich spielt er in irgendeiner dunklen Ecke Schach mit ihr!« Saltus ließ sich grinsend in einen Liegestuhl fallen und sah zu dem Sonnenschirm auf, in dessen Gestänge eine Spinne ihr Netz webte. »Hier ist heute morgen verdammt wenig los.«
    »Was steht auf dem Programm?« erkundigte Chaney sich. »Ein erregendes Spiel mit dem Major? Oder weitere Munitionsverschwendung auf dem Schießplatz?«
    Saltus lachte. »Tut die Schulter weh? Das gibt sich im Lauf der Zeit. Menschenskind, wenn Katrina hier wäre, würde ich sie ins Wasser werfen und selbst hinterherspringen – das macht Spaß!«
    Chaney hielt es für besser, keine Antwort zu geben. Er betrachtete die spiegelglatte Wasserfläche und erinnerte sich daran, wie Saltus dort mit Katrina gespielt hatte. Das war keine angenehme Erinnerung. Er hatte sich nicht an diesem Spiel beteiligt, weil er den Eindruck gehabt hatte, Katrina ziehe die Gesellschaft des jüngeren Mannes der seinen vor. Dieses Bewußtsein schmerzte.
    Chaney sah jemanden auf den Swimming-pool zukommen.
    »Der Major hat uns entdeckt.«
    Major Moresby kam rasch heran. Er atmete schwer und war vor Aufregung rot.
    »Los, kommen Sie!« knurrte er Saltus an. Und zu Chaney sagte er: »Ziehen Sie sich sofort an! Wir haben es eilig. Wir werden im Besprechungsraum erwartet. Ich habe einen Wagen an der Straße stehen.«
    »He, was ist los?« fragte Saltus und stand auf.
    »Wir sind so gut wie unterwegs. Jemand hat sich zu der großen Entscheidung durchgerungen. Verdammt noch mal, Chaney, beeilen Sie sich doch!«
    Chaney verschwand hastig in der Umkleidekabine.
    »Beginnen die praktischen Tests?« wollte Saltus wissen. »Heute morgen? Jetzt?«
    »Jetzt«,

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