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Das Jahr der Woelfe

Das Jahr der Woelfe

Titel: Das Jahr der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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nicht stören. Er hatte ja nicht nur vor Katzen eine spaßige Angst, sondern fürchtete sich auch vor Gespenstern. So hielt er den Mund gespitzt und die Augen auf das Dorf gerichtet. Ohne den Kopf zu drehen, wagte er einen Blick aus den Augenwinkeln. Die Kreuze standen kalt und weiß unter dem vollen Mond. Als er an der Pforte vorbei war, dort, wo die Bank unter den drei Linden steht, da wurden seine Schritte leichter und schneller. Schon entsprangen seinem gespitzten Mund wieder kleine Töne.
    Plötzlich erstarrte er. Hinter ihm rief es deutlich: ›Wart, Miau, nimm mich mit. Ich bin es leid hier.‹ Miau entglitt die Axt. Zuerst waren ihm die Beine wie Bleibarren schwer. Doch dann rannte er, verlor seine Pelzmütze, drehte sich nicht einmal nach ihr um und hielt nicht eher ein, bis er den Schlüssel hinter sich im Schloss gedreht hatte und keuchend auf dem Stuhl am Tisch zusammensank.«
    »Hat er die Stimme denn wirklich gehört, Janosch?«
    »Sicher, Jungchen, sicher.«
    »Furchtbar.«
    »Nun, Jungchen, furchtbar war es nicht. Denn am Morgen schickte der Lehrer mich mit Mütze und Axt zu Miau und trug mir Grüße auf. Ich sollte ihn fragen, warum er gestern Abend so kopflos geflohen sei. Er habe doch hinter dem Kirchhof mit der Büchse gesessen und vergebens auf Karnickel gewartet. Und da sei er das lange Warten leid gewesen und habe mit ihm zusammen nach Hause gehen wollen.«
    »Ach, so war das«, lachte Konrad. »Aber ich glaube, da hätte sich wohl jeder erschreckt und nicht nur Miau.«
    »Na, du bestimmt«, neckte ihn Janosch.
    Sie fuhren durch Eschenwalde. Vor der Post griff Janosch in die Zügel und rief: »Hüh!« Umständlich kletterte er herab, hob zuerst sein Holzbein auf den Boden und stemmte sich dann allmählich herunter.
    »Eine halbe Stunde, Jungchen, eine halbe Stunde hast du Zeit. Hab was zu erledigen.«
    »Ich gehe solange zu Tante Elisabeth«, beschloss Konrad, wickelte sich aus der Decke und sprang vom Wagen. Seine Kleider waren klamm und dampften wie das Fell der Pferde.
    Das Haus der Tante war groß und aus schweren Balken fest gefügt. Der schwarze Neufundländer schlug an.
    Konrad trat durch die Tür. 19+K+M+B+44 war mit Kreide am Dreikönigstag an den Balken geschrieben worden. Das brachte Segen. Segen hatte die Tante nötig. Onkel war im Feld, und alle vier Söhne und sechzehn der Jüngste. Sie schlug sich auf dem Hof mit drei gefangenen Franzosen schlecht und recht durch. Seit zwei Monaten war ihr Neffe Hubertus aus Berlin bei ihr. Er hatte im Krieg einen Arm verloren, doch bedeutete er für Tante Elisabeth eine große Hilfe.
    Pierre saß am Kachelofen. Tante stand unter der Lampe. Sie wickelte eine Mettwurst in Fettpapier.
    »Guten Tag, Tante.«
    »Guten Tag, Konrad. Kommst du schon zurück aus der Stadt?«
    »Ja, Janosch hat mich aufsitzen lassen. Woher weißt du, dass ich in der Stadt war?«
    »Hedwig war hier und hat erzählt, wie schlecht es dem Bruder geht.«
    »Wem schickst du das Päckchen, Tante?«
    »Dem Peter, dem Jüngsten. Er liegt in Frankreich.«
    »Darf ich einen Gruß dazuschreiben?«
    »Sicher, Junge. Er wird sich freuen.«
    Konrad schrieb: »Viele Grüße von Deinem Konrad, und komm bald wieder. Wir brauchen hier Männer. «
    »Habt ihr nichts gehört von Onkel Thomas und Tante Grete und den Kindern?«, fragte Tante Elisabeth.
    »Nein«, antwortete Konrad. »Wir haben schon seit Wochen keine Post aus der Tuchler Heide. Großvater denkt, dass die Russen von dort nach Ostpreußen kommen. Vielleicht sind sie schon längst da?«
    »Wo sind die Russen noch nicht?«, seufzte die Tante.
    »Wo steckt Hubertus, Tante?«
    »Er ist noch auf dem Acker und hilft André.« Maurice trat herein.
    »Sind die Kühe gemolken?«, fragte die Tante.
    »Jawohl, Madame«, antwortete Maurice, nahm sein Käppchen ab und rutschte neben Pierre auf die Bank.
    Tante ging zum Schrank, nahm den Schlüssel vom Gürtel und holte drei Zigaretten heraus.
    »Hier, Pierre, aber hebt André eine auf.«
    »Ja, Madame«, sagte Pierre, steckte eine ins Käppchen, reichte die andere Maurice hinüber und schob die letzte zwischen die Lippen.
    »Du darfst ihnen nichts zu rauchen geben, Tante«, sagte Konrad leise.
    »Schweig, Junge«, murrte sie und schnürte das Päckchen.
    »Sie können nicht einmal nach Hause schreiben«, sagte sie wie zu sich selbst. »Und hoffentlich findet Otto in Sibirien auch eine Mutter, die an ihren Sohn denkt und ihm eine Scheibe Brot über den Stacheldraht wirft.«
    Konrad schwieg

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