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Das Jahr der Woelfe

Das Jahr der Woelfe

Titel: Das Jahr der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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vor dem Schwimmer. Ihr Hinterleib glänzte blauschwarz. Die dicken Stielaugen prüften das Rindenstück lange, bevor das Insekt es mit den Beinen fasste. Einen Augenblick ruhten die Flügel gläsern in der Luft. Schon schoss sie wieder davon.
    »Ob sie von deinem Zupfen verscheucht wurde, mein Karpfen?«
    Doch kein Wellenkräuseln bestätigte Konrads Hoffnung. Fernes Grollen rollte wieder über das Wasser, lauter jetzt und heller.
    »Doch ein Gewitter. Gewitter machen die Fische toll. Also komm, lass mich nicht so lange warten. Beiß zu.«
    Wenn Konrad schärfer in die Ferne lauschte, dann vernahm er hinter dem Donnerrollen des Wetters, das sich jenseits des großen Waldes zusammenbraute, ein tiefes, unbestimmtes Gemurmel. Das schwand nur selten.
    »Die Russen werden kommen«, hatte der Großvater gesagt. Aber Konrad glaubte ihm nicht recht. Olbrischt musste es besser wissen. Der kannte den Gauleiter aus Königsberg persönlich und hatte drei Söhne an der Front.
    Großvater war alt. Was wusste der?
    Und wenn sie doch kommen? Dröhnen die Kanonen schon bis hierher? Konrad hob vorsichtig den Köder aus dem Wasser. Die Kartoffel pendelte unberührt. Lediglich die Hakenspitze hatte sich ein wenig herausgehoben.
    »Du bist erfahren und misstrauisch. Wart nur.«
    Er zog den Haken zurück und drehte ihn halb. Genau an der Stelle sank der Köder in die Tiefe, an der der Karpfen sich im Sprung gezeigt hatte, golden und schwer.
    Über die Wipfel der hohen Fichten schob sich ein schweflig gelber Wolkenrand.
    »Beiß, mein Karpfen. Es sind zwanzig Minuten bis ins Dorf. Beiß. Ich habe keine Angst vor Blitz und Donner. Ich kenne doch ein Stoßgebet. Das hilft immer, sagt Janosch. Ich habe keine Angst.«
    Die Libelle war wieder da und stand in der Luft vor dem Schwimmer. Plötzlich versank er schnell und gerade in das schwarze Wasser. Konrads Muskeln strafften sich.
    »Mein Karpfen!« Er wusste es, noch bevor er anschlug. »So beißen nur große Fische, ruhig und fest. Ich warte noch. Ich kenne dich. Du hältst die Kartoffel nur lose im Maul. Ich kenne dich.«
    Ruhig wanderte die Schnur eine Armlänge dem offenen Strom zu.
    »Jetzt gilt es.«
    Konrad schnellte den Stab empor. Die Spitze bog sich. Die Schnur sirrte. Heftig ruckte der Fisch. »Reiß nur. Ich gebe nach. Jetzt habe ich Zeit. Ich weiß schon, wie ich es schaffe.«
    Konrad war aufgesprungen. Er hielt die Schnur stramm, folgte aber weich jedem Ruck.
    »Ja, meine Schnur ist gut. Zieh nur. Neununddreißig Schimmelhaare. Und ich bin auf der Hut! Nicht unter die Erlen ins Gestrüpp, mein Karpfen. Dort verwickelt sich die Schnur. Hüh!« Konrad verstärkte den Zug und brachte den Fisch wieder in die Mitte der Bucht.
    »Komm an die Oberfläche. Ich schleudere dich ans Ufer wie die pfündige Plötze oder, wenn du es lieber willst, schleife ich dich durch den Schlick her zu mir wie den schweren Blei. Oder ich mache es noch ganz anders. Komm nur, komm.«
    Doch vorerst schien der Karpfen nicht daran zu denken, das tiefe Wasser zu verlassen. Er ruckte und zuckte. Der Haken saß tief in seinem Gaumen und war neu und aus gehärtetem Stahl.
    »Auch ohne Käscher, komm!«
    Konrad zog jetzt. Die Fichtenspitze war stark und geschmeidig und bog sich. Der Schwimmer, schon einen halben Meter über dem Wasser, kreiste um die straffe Schnur.
    Jetzt ließ das Reißen plötzlich nach. Die Schnur wurde schlaff und die Spitze schnellte zurück.
    »Vorsicht! Was hast du vor? Ich werde dir keinen Gefallen tun. Ich ahne, was du willst!«
    Konrad nahm nur zögernd den Stock höher, bereit, beim ersten Anzeichen eines harten Schlages nachzugeben. Kaum spürte der Fisch den Widerstand, da quirlte seine breite Schwanzflosse das Wasser, und er schoss kopfüber in die Tiefe. Konrad folgte mit der Gerte, bis sie mit der Spitze fast die Wasserfläche berührte.
    Wind war aufgesprungen und warf höhere Wellen in die Bucht.
    »Siehst du, mein Karpfen. Ich werde dich ans Ufer bringen. Du bist schon müde. Hab Acht!«
    Er zog stärker an der Schnur. Schon musste der Fisch der größeren Kraft ermattet folgen.
    »Pass auf, wenn er nahe am Ufer ist«, hatte Albert gewarnt. »Dann wird er noch einmal wild.«
    »Ist nicht Paul Funk vor ein paar Wochen ein Hecht kurz vor dem Ufer durchgebrannt? Aber ich werde dich nicht mehr loslassen. Komm endlich, komm.«
    Schweißperlen rannen Konrad aus den Haaren, verfingen sich in den Brauen und krochen über die Nase. Seine Pantinen waren ganz im Schlamm versunken. Hoch

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