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Das Jahr der Woelfe

Das Jahr der Woelfe

Titel: Das Jahr der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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Gefäß in der ersten Reihe. Hubertus schöpfte und reichte ihm das Geschirr in den Wagen zurück. Beim Anblick des Wassers verlor Konrad jede Beherrschung. Er setzte das Geschirr an die Lippen und trank und trank.
    »Weg da vorn!«, rief eine Frau schrill und drängte Konrad zur Seite. Der Rest des Wassers strömte über sein Gesicht und netzte den Boden.
    »Ich will auch Wasser«, schrie der Schnauzbart. Hubertus füllte noch zwei, drei Gefäße.
    »Mir zuerst, mir, mir«, gellte es aus dem Wagen. »Wasser! Wasser!«
    »Ruhe!«, rief der alte Mann.
    Doch diesmal wogen Vernunft und Ordnung nicht. Er wurde überschrien. Viele drängten zum Eingang, bis schließlich drei zugleich hinausgestoßen wurden und die Kanne mit sich rissen. Ehe Hubertus sie greifen konnte, war sie leer gelaufen. Zugleich ratterte das Maschinengewehr. Ermattet setzten sich die Leute wieder. Einige weinten verzweifelt. Hubertus bat den Polen: »Bitte, lassen Sie uns noch eine Kanne Wasser holen.«
    Der Pole antwortete kurz: »Nein.«
    Währenddessen strömte aus dem Füllwerk das Wasser und versickerte zwischen den Schottersteinen.
    »Wo hast du das Wasser?«, fragte Hedwig.
    Konrad stand vor ihr und schämte sich. Er hatte getrunken und seine Geschwister sahen ihn mit großen Augen an. Plötzlich drehte er sich um und trat wieder zur Tür.
    »He, Herr Soldat«, schrie er. »Eine goldene Uhr für eine Kanne Wasser.«
    »Her mit der Uhr.«
    »Erst das Wasser«, forderte Hubertus.
    »Los, lauft!«, willigte der Pole ein.
    Sie schleppten die Kanne randvoll herbei.
    »Wo ist die Uhr?« Der Soldat trat heran. Da reichte ihm Konrad das Geschenk des Großvaters, die Uhr, die so viele Generationen hindurch in der Bienmannfamilie immer an den ältesten Sohn weitergegeben worden war. Hubertus hob mit Vaters Hilfe die Kanne in den Wagen. Die Leute waren klüger geworden. Vater gab jedem das gleiche Maß und es blieb noch ein Rest übrig.
    »Ich bin stolz auf dich, Sohn«, sagte Mutter und strich Konrad über das Haar. »Wenn du später deinem ältesten Sohn diese Geschichte erzählst, dann hat er ein Erbstück, das mehr wert ist als jede Uhr.«
    »Wasser ist lecker«, sagte Franz. Er tat genau, wie Vater ihn geheißen hatte, und schlürfte winzige Schlucke.
    Es gab viele Pausen an diesem Tag. Erst am Abend erreichten sie Berlins Trümmer. Wieder hielt der Zug. Nicht weit von ihnen kreuzte eine Straße die Gleise. Es wurde dunkel.
    Vater tuschelte mit Hubertus und Mutter. Dann ging er zu dem alten Mann und erklärte: »Wir haben Verwandte hier in der Stadt. Wir steigen aus.«
    Die Tür wurde vorsichtig aufgeschoben. Vater sprang als Erster hinaus. Er horchte in die Dunkelheit. Alles blieb still. Nun reichte ihm Hubertus Konrad, Hedwig, Albert und Franz hinab. Mutter gab ihm Elisabeth. Er hielt sie, während sie ausstieg. Kaum spürte das Kind die kalte Nachtluft, da vermisste es seine Mutter und schrie laut. Hubertus sprang vom Wagen.
    »Schnell«, rief er leise und verschwand neben den Gleisen. Die Kinder stolperten nach. Konrad fiel und drückte sich in eine Bodenwelle.
    »Was ist los?«, schrie ein Soldat. Seine Stiefel knirschten auf dem Schotter wenige Meter von Konrad entfernt.
    Da pfiff die Lok. Der Zug ruckte an. Der Soldat rannte und sprang schließlich auf.
    »Wo seid ihr?«, rief Mutter halblaut. Alle sammelten sich um sie.
    »Und wo ist Franz?«, fragte sie angstvoll.
    »Bei mir«, sagte Vater.
    Sie schritten zur Straße. Ein Mann mit einer Schubkarre begegnete ihnen. Sie fragten nach dem Weg.
    »Gehen Sie mit mir«, sagte er. »Ich bringe Sie über die Sektorengrenze.«
    Sie liefen durch dunkle Straßen. Manche waren von den Trümmern zugeschüttet bis auf einen schmalen Pfad.
    »Vorsicht jetzt«, sagte der Fremde. »Dort drüben sind Sie im Westsektor. Warten Sie, bis der Posten eine Weile vorbei ist. Er hat hier ein weites Stück zu gehen.«
    Die Wache schritt dreißig Meter vor ihnen quer über die Straße. Der Fremde wartete zwei Minuten.
    »Jetzt!«, sagte er.
    »Ihr Name?«, fragte Vater.
    »Was soll ein Name? Los, es wird Zeit.«
    Sie liefen. Niemand rief sie zurück. Keuchend blieben sie endlich stehen.
    »Von drüben?«, sprach eine junge Frau sie an.
    »Ja.«
    »Und wohin?«
    »Nach Wedding. Konstantinweg.«
    »Gehen Sie nur geradeaus. Es ist eine knappe Stunde bis dort.«
    »Ich kenne mich schon aus«, sagte Hubertus. Doch er irrte sich. Berlin war eine wirre Wüste. Ruinen, Ruinen, wohin er auch blickte.
    Eine Trümmerstadt. Eine

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