Das Jahr der Woelfe
zeigte die Rute jetzt in die schwarzen Wolken, die den Himmel mehr als halb überzogen hatten und den Wald finster und das Grün der Fichten dunkler machten.
Da sah Konrad den Karpfen deutlicher als beim Sprung. Er erschrak vor dem großen Fisch, der mit offenem Maul, ein wenig auf der Seite, dicht unter der Oberfläche dahergezogen wurde. Zittern schoss ihm in die Knie. Fester krampften sich seine Hände um den Angelstock.
»Pass auf, wenn er nah am Ufer ist, pass auf!«, hämmerte Alberts Warnung in seinem Kopf.
»Hätte ich doch nur einen Käscher. Aber wart nur!«
Noch zwei Meter.
»Soll ich dich schleudern? Nein, du bist zu schwer. Neununddreißig Pferdehaare können auch reißen.«
Da schwamm der Karpfen dicht unter dem Ufer, seitwärts von Konrad. Jetzt berührte er mit dem goldenen Leib den Grund, ein letztes Aufbäumen. Weiße Gischt peitschte auf.
»Jetzt ziehe ich durch!«
Nur halb hob er den Fischleib aus dem seichten Wasser, dann riss die Schnur. Konrad warf sich auf den Fisch und bekam ihn zu fassen. Wasser und Fisch! Endlich spürte er seinen Kopf. Konrad wollte ans Ufer, doch die Pantinen, festgesaugt vom zähen Schlamm, blieben stecken. Er stürzte, schluckte schmutziges Wasser, aber er hielt die Beute fest; kam auf die Knie, rutschte ans Ufer, ins Gras. Hoch hinauf.
Er keuchte. Der Fisch wehrte sich nicht mehr. Konrad öffnete sein Taschenmesser, senkte die blanke Klinge hinter die Kiemenklappe und stieß zu. Rot quoll das Blut heraus und lief dem Jungen über die Hand. Er ließ den Fisch sinken. Der Gegner war tot.
Freude und Mattigkeit, Trauer und Tränen stiegen in Konrad auf. Er sah auf den Fisch, auf seine blutbesudelte Hand und wusch sie schließlich im Fluss. Seine Pantinen zog er aus dem Schlamm und überspülte auch sie.
Da klatschten die ersten, schweren Tropfen ins Wasser. Schnell versteckte er die Angel im Ufergebüsch, wog den toten Fisch in der Hand und schätzte ihn auf fünf Pfund. Ein Blitz zuckte und gleich darauf krachte der Donner.
»Steh mir bei, heilige Jungfrau, hilf mir und halt mich heil«, betete Konrad, wie Janosch ihn gelehrt hatte. Er rannte das Ufer hinauf und den Pfad entlang dem Dorf zu. Er spürte das Gewicht des Fisches bald in den Schultern. Doch das freute ihn. Was würde die Mutter sagen? Wie würde Albert staunen! Und Hedwig erst! Helle blendete ihn. Prasselnd schlug der Blitz irgendwo in die Erde.
2
Aber nicht Mutter, Albert oder Hedwig begrüßten ihn und auch nicht der kleine Franz. Vater kam aus der Scheune, nahm ihn wortlos beim Kragen und ließ ihm kaum Zeit, die Pantinen abzustreifen. Da fiel es Konrad heiß ein. Der Roggen musste ja herein, bevor der Regen kam. Er hob Vater den Fisch entgegen. Doch er wollte ihn nicht sehen.
»Da, du Lorbass!«, schimpfte er und gab Konrad eine Ohrfeige.
Der Junge lief in den Stall, den Fisch immer noch in der Hand. Er rannte an den Kühen vorbei und warf sich ins Stroh. Weinen schüttelte seine Schultern. Vater wollte seinen Fisch nicht sehen, seinen großen Fang. Und er hatte den Roggen über dem Fisch vergessen. Konrad ließ den Karpfen ins Stroh gleiten. Er drängte die Tränen zurück. Der Regen schlug hart gegen die kleinen Scheiben. Konrad begann plötzlich zu zittern. Er fror. Die nassen Kleider klebten ihm am Leib. Durch das Sommerhemd zeichneten sich seine Rippen. Starke Rippen und wenig Fleisch für einen Jungen von zwölf. Er schlich über den Hof zurück und betrat die Küche. Mutter stand allein am Herd. Franz krabbelte in der Ecke. Vater, Bruder und Schwester arbeiteten in der Scheune.
»Mutter.«
»Na, Junge.«
»Mutter, sieh, mein Fisch!«
»Junge, warum hast du uns vergessen?«, antwortete die Mutter leise. »Du weißt doch, wie nötig wir jede Hand brauchen.«
Konrad schnürte es die Kehle ab. Er ging auf sie zu, Tränen in den Augen. Den Fisch hielt er ihr entgegen.
»Ein sehr schöner Fisch, Junge.«
»Ich – ich … Ach, Mutter.« Konrad tupfte mit dem Finger auf die wenigen Schuppen, die so groß wie Markstücke in einer doppelten Reihe auf dem Rücken des Fisches glänzten.
»Wir werden ihn braten. Es trifft sich gut. Karl Olbrischt ist auf Urlaub. Er kommt später herüber.«
»Ein Festmahl für Karl«, sagte Konrad.
»Schnell jetzt, lauf in den Stall und versorg das Vieh.«
Eilends schüttete Konrad den Kühen drei Eimer Wasser in den Trog und streute Kleie darüber. Quietschend drängten sich die Schweine und stießen einander zur Seite. Er goss das Futter in die
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