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Das Jahr der Woelfe

Das Jahr der Woelfe

Titel: Das Jahr der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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herüber. »Sie feiern Abschied«, vermutete Konrad.
    Im Gehöft wartete Vater mit Ungeduld. »Mein Schein ist zerrissen«, empfing er sie. »Morgen um zehn Uhr müssen wir das Dorf verlassen haben. Der Kommandant hat den Dolmetscher vor einer Viertelstunde geschickt.«
    »Morgen ist Ostern«, sagte Hedwig.
    Vater besah sich das Rädergestell. Bis in die späte Nacht arbeiteten sie. Große Mühe wandten sie auf das Pferdegeschirr. Aus Draht und alten Stricken knotete Vater es zurecht. Außerdem hatte das Wagengestell weder Rungen noch Leitern noch Boden. So mussten es zwei lange Bretter tun. Hubertus berichtete von der Plünderung. Vater entschloss sich daraufhin, die notwendigen Dinge in eine flache Kiste zu packen und unter das Brett des Wagens zu binden. Auf die Bretter schnürte der Vater einen Strohsack, auf den Mutter sich am Morgen legen sollte.
    Es war spät nach Mitternacht, als sie endlich das Abendgebet sprachen und um Gottes Schutz für die Fahrt baten.
    Leise pochte es an die Scheiben. Hedwig erwachte davon, als das graue Licht des Ostertages eben in die Stube fiel. Regen. Sie sprang auf bloßen Füßen ans Fenster. Wie ein dichter Vorhang fiel der Regen. Die Straße war mit Pfützen überdeckt. Die Tropfen warfen dicke Blasen und die folgenden zerstörten sie wieder. Konrad trat neben die Schwester.
    »Hoffentlich wird das Wetter Mutter und Elisabeth nicht schaden.«
    Die Schwester spürte die Morgenkälte und zog sich warm an. Vater starrte über eine Stunde aus dem Fenster. Um halb zehn schlug er den Mantelkragen hoch und lief noch einmal zum Kommandanten. Doch der schlief seinen Rausch aus. Der Dolmetscher hatte gedroht, dass alle, die in einer halben Stunde noch im Ort seien, erschossen würden. Da legten sie Mutter und das Kindchen auf den Strohsack, breiteten zwei graue Decken über sie und versuchten eine löchrige Plane darüber zu binden, damit der Regen wenigstens ein wenig abgehalten würde. Franz setzte sich vorn auf das Brett. Vater schnürte ihn mit einem Riemen fest, damit er nicht herunterfallen konnte. Ihn allein schien der Regen zu freuen. Er hielt ihm sein Gesicht entgegen und lachte. »Der Regen kitzelt meine Nase.« Dann spannte Vater Nikolai an. Doch der ging nur widerstrebend ins Geschirr. Als Vater ihn anziehen ließ und er die Last spürte, ging er hoch und schoss voran. Nur mit Mühe bändigte Vater den Wallach.
    Mutter versuchte sich aufzurichten. Doch die Plane hinderte sie daran. Hubertus sprang Vater zu Hilfe.
    »Er ist noch nie im Geschirr gewesen«, vermutete Vater.
    »Ein Reitpferd wahrscheinlich.«
    Sie führten das Tier vorsichtig. Es versuchte auszubrechen. Doch die Männer gaben Acht. Allmählich fügte es sich in sein Joch. Der Regen platschte in dicken Tropfen, immerzu. Mutters Haare hingen strähnig und lang herab. Tropfen rollten daran herunter und fielen in schneller Folge auf die Erde. Albert ging neben dem Wagen und hielt ein Pappstück über ihren Kopf. Sie lächelte ihm zu.
    »Setz dich zu mir«, sagte sie. Da sprang er auf das Brett.
    »Heute ist Ostern«, sagte Hedwig.
    »Komm einmal her«, forderte Hubertus sie auf. Er fasste in die Tasche und zog erst zwei und dann noch einmal zwei Eier hervor. Sie waren mit Zwiebelschalen gebräunt und mit Nadelritzen schön verziert.
    »Für jedes Kind eins«, sagte Hubertus. Hedwig verteilte sie.
    »Was steht bei dir auf der Schale?«, fragte Albert.
    »›Christ ist wahrhaft auferstanden, alleluja!‹«, antwortete Konrad.
    »Bei mir steht: ›Des wollen wir alle froh sein‹«, sagte Hedwig.
    »Dann steht bei mir: ›Christus soll unser Trost sein‹«, ergänzte Albert, drehte sein Ei und fand seine Vermutung bestätigt.
    »Christ soll unser Trost sein«, sprach Vater und die Mutter antwortete: »Kyrie eleis.«
    Der Regen ließ am Mittag nicht nach und auch nicht am Nachmittag. Die Dämmerung brach früh herein. Als sie das Dorf Birkow erreichten, wurde Mutter von einem heftigen Schüttelfrost gepackt. Die Plane war längst kein Schutz mehr. Das Wasser hatte alles durchnässt.
    »Häuser«, sagte Vater und Hoffnung klang in seiner Stimme.
    Auf der Dorfstraße standen viele Fuhrwerke. Manche Pferde waren ausgespannt, andere standen mit nassem Fell und tief gesenktem Kopf im Regen. Vater ließ das Fuhrwerk am Dorfeingang und ging allein in das Dorf hinein. Schon bald sah er den Grund der Stauung. Die kleine Brücke, die mitten im Dorf einen Bach überquerte, war unter der Last eines Wagens eingebrochen.
    Vater

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