Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman
schmerzgepeinigt, denn die Türkante hatte mich voll an der Stirn erwischt.
Leos Entschuldigungsgrinsen schien stark mit Allmachtsgefühlen, mit Triumph und Selbstzufriedenheit durchmischt zu sein. »Mach dir keine Sorgen, Hans, ich hab Berti nichts erzählt. Hab ich dir ja versprochen. Ich hab mir aber überlegt, dass ich mich gestern wie ein Amateur benommen habe. Vielleicht bin ich einfach zu gutmütig, um ein richtiger Gangster zu sein, keine Ahnung. Auf jeden Fall hat mir mein Freund hier gesagt, dass es nicht unverschämt sei, zehn Prozent zu verlangen.« Sein Grinsen verzerrte sich und wurde maskenhaft. »Mein Freund hat mich begleitet, weil ihm Gutmütigkeit fremd ist und weil er genau weiß, wie man sich schnell und gründlich durchsetzt. Du verstehst mich doch?«
Langsam, schildkrötenmäßig, bewegte ich mich rückwärts ins Zimmer, langsam und bedrohlich folgten mir die Wichser.
»Was willst du? Etwa 8 000 Mark?«
»Und zwei Riesen für mich«, brummte der harte Hund.
»Du hast ja’n fetten Stundenlohn«, hörte ich mich sagen, während mein Herzschlag bis in den Kopf wummerte. Ich stand jetzt neben der Kochplatte, legte meine Hand daneben, scheinbar um mich abzustützen. Ich fühlte den Messergriff, erkannte sofort, es war das schwere Schlagmesser mit der breiten, fünfzig Zentimeter langen Klinge. Ich fasste zu – und schon sah alles bedeutend positiver aus. Abweisend hielt ich den beiden das Messer entgegen, meine linke Hand suchte und fand das kleine, kompakte Ausbeinmesser. Mit diesen Werkzeugen war ich seit Jahren vertraut, ihre Griffe schmiegten sich wie von selbst in meine Hände.
»Und jetzt raus hier!«, knurrte ich die Verdutzten an.
Leo wurde, wie letztens, kalkweiß, doch der Bärtige lachte nur überlegen, zog beinahe spielerisch ein Stilett aus der Jackentasche und brummte, nicht unbedingt gutmütig, weil ihm ja Gutmütigkeit, wie schon erwähnt, fremd war, doch immerhin ohne den stählernen Grundton: »So was hab ich auch, Kleiner.«
»Nee, hast du nicht. Das ist Spielzeug.« In meinem Rücken spürte ich die Kante der Anrichte, es gab nur noch den Weg nach vorn. »Stell dich hinter deinen Freund, sonst kriegst du auch was ab«, riet ich Leo, dem das sofort einleuchtete. Gewandt huschte er hinter den Großen mit dem Affengesicht.
Schneller Takt meines Herzschlags, klang nach einem Solo von Ginger Baker; meine Knie zitterten harmonisch mit. Ich bewunderte mich wegen meines Mutes und verfluchte mich gleichzeitig. Jetzt stand ich dem Starken direkt gegenüber, blickte ihm ins Grinsegesicht, die Stimme in mir sagte: jetzt! Und ich schlug zu, keineswegs halbherzig, widerwillig und nur symbolhaft und förmlich den Verteidigungsauftrag vermittelnd, sondern rücksichtslos. Die Klinge des Schlagmessers, wuchtig geführt, glänzte ganz kurz, den martialischen Aspekt ästhetisch betonend, im hereinfallenden Sonnenlicht, schlitzte die Lederjacke von oben bis unten auf, haute dem Großen – schöner Nebeneffekt – dabei das zur Abwehr seitlich hingehaltene Stilett aus der Hand, und ich wünschte, ich hätte gleich die ganze Pfote mit abgehackt, aber man kann ja nicht alles haben, nicht wahr, und stach mit dem Ausbeinmesser wuchtig zu, traf den rechten Oberarm, und der berühmte »Ah!«-Schrei flog aus dem Mund des Harten, der das alles gar nicht fassen konnte, wie seinem Blick zu entnehmen war. Auf jeden Fall: erst mal eins zu null für mich. Mit einem Tritt stieß ich das Stilett in eine Ecke. Ich keuchte. Verdammt, das Outlaw-Leben ging mir gehörig auf den Sack.
»Lass uns abhauen«, drängte Leo, der es nun sehr eilig hatte, und zerrte an der Jacke des Kumpanen, den mittlerweile, zu meiner Erleichterung, der Respekt vor mir und meinen Messern beherrschte, was mich nicht verwunderte, denn sein Gesicht war schmerzverzerrt, er presste eine Hand auf die Wunde, ich hatte ihm offenbar richtig wehgetan.
»Das wirst du bereuen«, drohte er. So was musste er natürlich noch zum Abschied von sich geben. Besser so was, als etwas wirklich Ekelhaftes, wie zum Beispiel seinen Mageninhalt oder zwei Liter Blut.
Ich folgte ihnen bis zur Tür. Von unten kam ihnen Bülent entgegen.
»Das ist der andere«, sagte Leo. »Pass auf, der hat ’ne Kanone.«
Sie quetschten sich an ihm vorbei und polterten die Treppe hinunter.
Grinsend deutete Bülent auf die Messer, hatte sofort begriffen und sagte teils spöttisch, teils bewundernd: »Du gehst ja flott zur Sache. Wie’s aussieht, weiß ich noch immer
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