Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
Vom Netzwerk:
besaß ich einfach diese Ausdauer nicht. Also nicht, dass ich im Bett eine Niete wäre, überhaupt nicht, nur, na ja, ich war einfach nicht der Deckhengst-Typ.
    Fünf oder sechs einsame Männer saßen dort, distanzbewusst im Saal verstreut, mit hochgestellten Krägen, in der Dunkelheit mit ihren Schwänzen spielend. Auf der Leinwand großformatig Titten, Mösen, Schwänze, Ärsche. Es wurde in allen nur denkbaren Positionen geleckt, geblasen und gerammelt, das Stöhnen und die Lustschreie aus den Lautsprechern übertönten das Hecheln der Wichser.
    Ich hatte eine ganze Sitzreihe für mich allein und wagte es, meinen Schwanz auszupacken. Mordsständer. Analverkehr-Szene. Prächtiger Arsch. Während ich mir verstohlen einen runterholte, war ich wieder der vierzehnjährige Hans, der mit angehaltenem Atem und der Angst entdeckt zu werden auf der Schultoilette wichste.
    Plötzlich, sehr lästig, die Stimme in mir: Willst du einer von diesen traurigen Männern sein? Seufzend verstaute ich meinen Schwanz in der engen Jeans und verließ den dämmrigen Ort und die einsamen Männer.
    Auf dem Bahnsteig ging ich unruhig auf und ab – unbefriedigt sowieso, naturgemäß, nicht unbedingt verärgert, eher …, was wohl?, wahrscheinlich mit Blues beladen. Was Männer alles auf sich nehmen, dachte ich nicht zum ersten Mal, wenn sie eine Woche lang nicht abgespritzt haben.
    Der Zug. Und der Typ in der braunen Samtjacke, der mich mehrmals von der Seite angeglotzt hatte, stieg mit mir in denselben Wagen. Viel zu hell hier drin. Der Affe tat so, als blickte er geistesabwesend oder gelangweilt an mir vorbei, über mich hinweg. Er glotzte dennoch in meine Richtung.
    Einfach zu ihm hingehen und ihm die Faust in die Zähne rammen, rief eine Stimme in mir, doch die Stimme der Vernunft riet mir vehement davon ab. Typisches Verhalten eines U-Bahn-Paranoikers, sagte die Stimme, in allen U-Bahn-Zügen der Welt gibt es massenhaft Psychopathen, überwiegend unerkannt und relativ unauffällig, aber hin und wieder, nicht nur in New York City und Paris, gewalttätig und gefährlich. Ich bedankte mich bei der Stimme der Vernunft, hielt aber die Augen offen. Nur im Film besaßen die Helden den großen Durchblick.
    U-Bahn-Station Feldstraße. Außer mir stieg keiner aus. Und nun, immer schön im Dunkeln, nicht zu hastig, keinesfalls zu langsam die Straßen entlang. Na bitte, alles halb so wild.
    Der Gestank in meinem malerischen Mansardenzimmer erinnerte mich an einen von Mülleimern und läufigen Katern beherrschten Hinterhof. Elvis miaute mich freudig an. Ich streichelte ihn pflichtgemäß und brummte streng: »Du alter Stinker. Legst du’s darauf an, kastriert zu werden?«
    Mit höchster Aufmerksamkeit lauschte er meiner Stimme und sah dabei aus wie ein wissbegieriger Schüler. Ich wusste jedoch, dass ihm der größte Teil meiner Worte piepegal war und dass er nur auf die üblichen Laute wartete, die in enger Verbindung mit dem anschließenden Öffnen einer Katzenfutterdose standen.
    »Hast du etwa schon wieder Hunger?«
    Genau das war’s, das gehauchte H, das dunkle U und am Ende das helle E mit dem eher belanglosen R. Das Tier miaute begeistert – und schlug sich kurz darauf die Wampe voll.
    Später, auf dem Bett liegend und immer noch oder schon wieder sexuell erregt, sah ich Doris’ nackten Körper vor mir, rief die typischen Laute ab, die sie von sich gab, wenn ich in sie eindrang, mein Schwanz wurde groß und hart, wartete auf die verlässliche Hand, die ihn so oft umfasst und bearbeitet hatte – doch diesmal vergebens, da ich in der einen Hand das Glas mit Whiskey, in der anderen die Zigarette hielt und jetzt liebend gern eine dritte Hand gehabt hätte, denn ich brauchte das Whiskey-Glas in der einen und die Lucky Strike in der anderen Hand, um meine Angst zu zähmen. Das war im Moment das Scheiß-Dilemma.
    Sonntagmorgen. Immer noch blauer Himmel, klare Sicht, scharfe Konturen, die zu Allegorien einluden, aber durch das zum Lüften geöffnete Fenster drang Eiseskälte.
    Nachdem ich mit dem Kater gefrühstückt hatte, schepperte die unerträgliche Türklingel.
    »Bülent?«
    »Ja.«
    Kaum hatte ich den Schlüssel umgedreht und die Klinke gedrückt, wurde die Tür wuchtig aufgestoßen, ich taumelte zurück. Zwei Gestalten schoben sich herein: Leo, natürlich, wie erwartet, wenn auch nicht so bald, und ein breitschultriger Cowboy mit vollbärtigem Affengesicht und Motorrad-Lederjacke.
    »Bist du total bescheuert?!«, schrie ich

Weitere Kostenlose Bücher