Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman
ich ganz einfach sprachlos war.
Als das große Kind später in der Wohnung, vor Aufregung glühend, die Pistolen und eine Schachtel Patronen vor mir auf den Küchentisch packte, befiel mich das wohlvertraute Gefühl des Unbehagens.
»Was soll das, wenn ich fragen darf?«
Fred setzte ein Gangstergesicht auf. »Das, Buddy, ist unser Handwerkszeug. Einer von uns muss ja aktiv werden. Unser Vermögen schrumpft in einem Affentempo, meine Mutter kann ich nicht mehr um Geld anhauen, Freunde, die einem nicht mehr ganz jungen Rock’n’Roller ein paar Tausender leihen, sind schwer zu finden, wenn es sie überhaupt gibt.«
»Das Vermögen schrumpft, und du wirfst einen Teil davon aus dem Fenster. Ist das logisch?«
»Ich habe es investiert, und ich erwarte von dir, dass du erstens der Realität ins Auge siehst und zweitens etwas mehr Engagement zeigst.«
»Haben wir denn morgen noch Geld für Brötchen?«
Mein Freund überhörte die Ironie. Seit dem Erwerb der Waffen war er für Ironie nicht mehr empfänglich, er spielte den harten Gangster. »In einigen Tagen, Buddy, können wir uns mit Brötchen totschmeißen. Wir suchen uns in einem verschissenen Kaff eine verpennte Bank aus, gehen rein, lassen uns eine Einkaufstüte mit Scheinen füllen – und schon sind wir wieder draußen. Zack zack, rein und raus.«
»Und verduften in deinem Buick?«
»Quatsch. Wir klauen einen Wagen. Das heißt, du klaust einen Wagen. Ist ja dein Metier.«
Ich blies die Backen auf und pustete Atemluft auf meine Zigarette, um die Glut aufleuchten zu sehen, ganz in Gedanken. Für Sekunden klappte ich die Augen zu – und sah sofort Gefängniszellen, Gitterstäbe und Typen wie Ignatz Moser und Horsti vor mir, schon roch ich den Samstagseintopf und hörte das hallende Rasseln der Schlüssel. »Ich möchte nicht mehr zurück in den Knast, Fred. Verstehst du das? Nie wieder.«
Er schien es nicht zu verstehen oder vielmehr nicht verstehen zu wollen. Ganz bewusst, wie es schien, hatte er die Vernunft in sich weggesperrt. Einem genervten Teenager gleich, lehnte er sich mit verschränkten Armen zurück, mit verschränkten, an die Brust gedrückten Armen und beleidigter Miene.
»Deine Einstellung finde ich, tut mir leid, ziemlich mickrig. Wieso zweifelst du an meinen Fähigkeiten? Millionen Bankräuber werden nie geschnappt. Nur die Doofen, die Spontan-Bankräuber …, ja, okay, du bist natürlich nicht doof, du warst auf dem Gebiet einfach noch unerfahren, aber, ich meine, du hast doch daraus gelernt, aus eigener Erfahrung, und in den sieben Jahren wirst du dich doch weitergebildet haben – in krimineller Hinsicht. Wir wissen ja beide, dass man im Kittchen hauptsächlich von Kriminellen unterrichtet wird. Ich meine, Hans, denk mal nach, irgendwas steht jetzt an. Oder hast du einen anderen Plan? Schlag was vor.«
Scheiße, es gab keinen Plan. Nur den unscharf in mir herumschwebenden Wunsch, für alle Zeit in dieser Wohnung zu leben, mit Fred natürlich, aber auch irgendwann mit einer Frau und, pff, ja, auch mit Kindern. Das scheißnormale Familienleben, die unspektakuläre Verwirklichung meines Traums von Zusammenhalt und Geborgenheit, das kleine, bescheidene Glück.
»Ich würde mir Arbeit suchen, vielleicht als Koch«, antwortete ich ohne große Hoffnung auf Zustimmung in der Art von
saugeile Idee, genial, dass ich da nicht selbst drauf kam
.
Spöttisches, ansatzweise tuntiges Lachen, wie von mir befürchtet. »Du bist ja perverser, als ich dachte, Buddy. Ich hab dich hier nicht einziehen lassen, damit ich den Haushalt führe und dir den Tisch decke, wenn du nach der Arbeit nach Hause kommst, und später neben dir vorm Fernseher einschlafe. Ganz abgesehen davon, dass uns dein Monatslohn zu A LDI -Kunden herabstufen würde. Ich hasse aber die A LDI -Filialen mit ihrem Billig-Design, den halb ausgepackten Kartons und den traurigen Kassiererinnen ebenso wie den Ruf, der einem anhaftet, der als ständiger A LDI -Kunde geoutet wurde. ›Der trinkt den Bourbon von A LDI ‹, heißt es dann. Da kann ich mich ja gleich vom Burgturm stürzen. Igitt.«
Für mich klang das ziemlich behämmert, schon weil ich grundsätzlich nichts gegen A LDI einzuwenden hatte, aber das mit dem Whiskey leuchtete mir sofort ein – und nach zwei bis drei Minuten zwangsläufig auch das andere. Die depressiven Kassiererinnen, die aufgerissenen Kartons – da war was dran. Mein Bild von A LDI und den zwischen A LDI -Regalen herumschlurfenden A LDI -Kunden wurde mit einem Mal
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