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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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Lächeln schüttelte ich den Kopf, sprach mit Fred wie mit einem Kind. »Wir können an meinen freien Tagen bei dir saufen, über Elvis reden, Platten hören und all die andern Rock’n’Roll-Sachen durchziehen, meinetwegen, aber ich muss Abstand gewinnen. Ich will nichts mehr von Bankraub und dem ganzen Scheiß hören. In dieser verkackten Provinzbank hatte ich wieder den Knast vor Augen. Nee, Alter, das bekommt mir nicht. Und dir auch nicht.«
    Zuerst zog Fred verbittert alle Register des Beleidigtseins, aber zum Abschied umarmten wir uns, küssten uns sogar, wenn auch nur auf die Wangen, und schworen uns ewige Freundschaft.
    Das Hotel gehörte zur unteren Kategorie, was mir sehr angenehm war – wegen der dementsprechend miesen Küche. Vom ersten Tag der Lehre an hatte ich den mir von den Eltern aufgezwungenen Beruf zutiefst verabscheut. Handwerklich war ich nicht mal schlecht, das heißt, ich war flott, benutzte die Hände routiniert und sicher. Der Ehrgeiz, anspruchsvoll zu kochen, fehlte mir jedoch völlig.
    Zwei Stockwerke eines vierstöckigen Altbaus in der Innenstadt. Im Erdgeschoss befanden sich ein Blumengeschäft und ein Tabakladen, im dritten Stock hielt sich eine Im- und Exportfirma auf geheimnisvolle Weise über Wasser. Das Hotel war so renovierungsbedürftig wie das ganze Haus. Maximal zwanzig Gäste – Kurgäste, überwiegend Rentner, anspruchslose Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen, Leute, die wohl noch nie vom Leben verwöhnt worden waren. Schäbige Einrichtung, gespannte Atmosphäre. Das Betreiberehepaar stammte aus Sachsen und war wenige Tage vor dem Mauerbau in den Westen geflüchtet, zwei knorrige Gestalten, beide über 60, hager, verbissen und angewidert von jeglicher Art von Humor. Herr und Frau Schmehle. Nicht die Sorte von Arbeitgebern, die mein Herz erfreute, schon weil ihr Geiz und die ständige Angst, vom Personal beklaut zu werden, sie im Laufe der Jahre zu traurigen Monstern verunstaltet hatten, die mich an meine Eltern erinnerten.
    Hinter der Küche ein düsterer Flur, die Personalzimmer und das Bad fürs Personal. Ich schaute mich angeödet in meinem Zimmer um. Bett, Stuhl, Tisch, Schrank, Waschbecken. Kein Ort für Sensibelchen. Der Blick aus dem Fenster prallte schon nach wenigen Metern gegen die Backsteinwand des Nachbarhauses. Nebenan – so viel wusste ich schon – wohnte das Mädchen für alles, Doris Hirsekorn. Sie machte die Zimmer, half beim Frühstück, servierte das Mittagessen, spülte Geschirr und Töpfe.
    Im Speisesaal spielte sich das meiste ab – Frühstück, Mittagessen, Kaffeetrinken, Abendessen, danach gemütliches Beisammensein. Es gab zudem – oh Luxus! – einen Fernsehraum, der so klein war, dass der tägliche Streit um die wenigen unbequemen Stühle niemanden verwunderte. Alles in allem ein bescheidenes Angebot. Nach den ersten Stunden in der Küche, deren Einrichtung mir, gelinde gesagt, ziemlich unzeitgemäß erschien, atmete ich erst mal auf. Unterstes Niveau, ohne Feinheiten, ohne Rücksicht auf die Gäste. Das erleichterte mich ungemein. Als störend empfand ich jedoch den mit glühendem Hass auf die Gäste verbundenen Geiz, von dem das Ehepaar durchtränkt zu sein schien.
    Heute gab es nach der Champignonsuppe aus der Tüte Rindergulasch mit Nudeln und Gurkensalat. Herr Schmehle, der Küchenchef, machte sich ans Gulasch, teilte dazu ein kleines Stück Rindfleisch aus der Schulter in Würfel, schnitt aber auch noch ein gewaltiges Stück Schweinebauch in Würfel, weil das Rindfleisch zur Zeit so teuer sei, bestäubte das Fleisch und die Zwiebeln nach dem Anbraten mit viel Mehl und Paprika, löschte mit viel Wasser ab und ließ den Fraß bis Punkt zwölf köcheln, dann wurde er serviert, wie zäh auch immer das Fleisch dann noch war.
    Ich war für die Suppe, den Gurkensalat und die Nudeln zuständig. Eine Kleinigkeit für mich. Das Gulasch erwies sich als total versalzen. Das sei nicht tragisch, meinte der Küchenchef, weil die Gäste das Gulasch mit den Nudeln vermischen würden.
    Ab und zu schwebte Frau Schmehle durch die Küche, schaute mir auf die Finger, ermahnte mich zur Sparsamkeit und ließ sich hemmungslos über die Gäste, »das Pack da draußen«, aus.
    Zu allem Überfluss keimte in mir der Wunsch, meiner Chefin beizubiegen, dass sie und ich von diesem »Pack« lebten, und ich hatte nicht übel Lust, ihr eine reinzuhaun, aber ich riss mich zusammen und ließ es bei Gemeinplätzen wie »ja, ja, es ist alles nicht so einfach«, was bei

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