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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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kommen aus der Ostzone! Wir sind kurz vor dem Mauerbau geflohen! Wenn Sie den Kommunismus so verehren, gehen Sie doch mal rüber und sehen sich um!«
    »Also, das ist ja wohl die Höhe! Jetzt bezeichnet die Hexe uns auch noch als Kommunisten! Ich hab an der Ostfront gegen die Rote Armee gekämpft, Sie …, Sie Spinatwachtel!«
    Der ohnehin laute Streit entwickelte sich zu einem Schreiwettbewerb.
    Mein Gesicht wurde plötzlich beschattet – von Doris Hirsekorns Brüsten. Während ich verlangend und, wahrscheinlich mit blödem Gesichtsausdruck, darauf stierte, raunte ihre Besitzerin: »Das geht jeden Tag so.«
    »Nicht gerade das ideale Betriebsklima«, vermochte ich immerhin hervorzustoßen und verschluckte mich am Kaffee. Sie klopfte mir beherzt auf den Rücken. »Es ist so was wie der Vorhof zur Hölle. Ich bin hier seit zwei Monaten.«
    Wie nicht anders zu erwarten, rauschte der Chef in die Küche. »Frau Hirsekorn, ich glaube nicht, dass jetzt der geeignete Zeitpunkt für ein Schwätzchen ist – und Ihre Frühstückszeit, Herr Lubkowitz, dürfte auch vorbei sein. Ein bisschen mehr Verantwortungsbewusstsein, wenn ich bitten darf!«
    »Wie wär’s mit einem gemeinsamen Bier heute Abend?«, stieß ich spontan hervor. Schmehle hatte es natürlich gehört, seine Stimme fuhr wie eine Axt dazwischen: »In diesem Haus ist jede sexuelle Betätigung strikt untersagt! Ich möchte nicht, dass sich in Ihren Zimmern etwas Derartiges abspielt!«
    »Sie halten gemeinsames Biertrinken für eine sexuelle Betätigung?« Doris zwinkerte mir keck zu. In Gedanken fing ich schon mal an, ihre Brüste freizulegen.
    »Ich war auch mal jung«, gab Herr Schmehle freimütig zu. »Von daher weiß ich, dass das Biertrinken nur der Anfang ist.«
    Nun verspürte ich ebenfalls den Drang, keck zu sein. »Sie haben damals jede Frau, mit der Sie ein Bier tranken, anschließend flachgelegt?«
    Tiefroter Teint. Aber Herr Schmehle war nicht der Schlaganfall-Typ. Eher der Magengeschwür-Typ. »Herr Lubkowitz«, zischte er, »wir beide, Sie und ich, sind so verschieden wie Feuer und Wasser. Dass Sie zu den Anarchisten oder Kommunisten gehören, erkenne ich nicht nur an Ihren langen Haaren. Man hat Sie offenbar einer Gehirnwäsche unterzogen. Sie, der noch nichts erlebt hat, glaubt das Leben und die Welt zu kennen! Gewaltiger Irrtum! Aber Männer wie ich, die im Krieg und in Gefangenschaft gewesen sind, kennen das Leben.«
    »Tja, ich mach mich dann mal wieder an die Arbeit«, trällerte Doris und verzog sich. Ich erhob mich vom Stuhl und fragte: »Wie sieht denn der heutige Speiseplan aus?«
    Falls der Chef von unserer respektlosen Reaktion auf seine Rede enttäuscht gewesen sein sollte, so ließ er es sich nicht anmerken.
    »Spargelcremesuppe, gekochter Schweinebauch mit Kartoffeln und Gurkensalat, Vanillepudding.«
    »Den Schweinebauch und die Gurken scheinen Sie sehr günstig erstanden zu haben«, sagte ich, einen Hauch von Bewunderung in die Stimme mischend. »Wie viele Zentner haben Sie denn gekauft? Dann wird es diese Woche wohl noch öfter Schweinebauch mit Gurkensalat geben?«
    Herr Schmehle fühlte sich sofort angepisst. Ironie schien ihm ein Greuel zu sein. »Was reden Sie denn da für einen Unsinn? Gestern gab es Rindergulasch, das mit ein paar Würfeln Schweinebauch saftig gehalten wurde, Gurkensalat ist gesund – und für sarkastische Bemerkungen, Herr Lubkowitz, werden Sie hier nicht bezahlt.«
    »Spargelcremesuppe aus der Tüte, nehme ich an.«
    »Ja, was glauben Sie denn? Sie unbedarfter Mensch. Die Spargelzeit ist seit zwei Monaten vorbei. Da drüben steht eine Dose mit Spargelabschnitten. In jede Suppentasse kommen zwei Stück als Einlage.«
    »Das ist clever, damit nehmen Sie den Nörglern, die wahrscheinlich, um ihre Vorurteile bestätigt zu sehen, hoffen, dass in der Spargelcremesuppe keine Einlage sei, quasi mit links den Wind aus den Segeln.« Dazu lächelte ich so harmlos wie möglich. Doch mein Lächeln zerschellte an Herrn Schmehles Panzer. »Ich hoffe nicht«, sagte er mit Vorgesetztenstimme, »dass Sie zu diesen kommunistischen Wühlern gehören, zu den Maulwürfen, von denen es ja hier nur so wimmelt, die unter den Augen der Polizei und der Justiz in den Betrieben ihr Unwesen treiben, um den Mittelstand, also die Wirbelsäule der Freiheit und des Wohlstands, zu Fall zu bringen, Borkenkäfern gleich, die, unter der Rinde hausend, in unendlicher Kleinarbeit den ganzen Baum zerstören.«
    Den Kopf schüttelnd, sah ich ihm

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