Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
Vom Netzwerk:
Halbpension und schienen mit dem Fraß zufrieden zu sein.
    Nachmittags fuhr ein Bus vor und kippte seine ebenfalls aus älteren Leuten bestehende Ladung aus, die sich wuselig auf der Terrasse verteilte. Die Kaffee- und Kuchenschlacht begann. Aber das ging mich sowieso nichts an. Nachmittags hatte ich frei. Ich musste erst wieder um 17 Uhr antreten. Um 22 Uhr war für mich Feierabend.
    Eigentlich hatten Doris und ich schon nach den ersten Tagen die Schnauze voll. Mieses Betriebsklima. Außer uns wohnten im Personalhaus die beiden Azubis, zwei Köche, zwei Kellnerinnen, ein Kellner, ein Spüler, die junge Frau von der Rezeption, der Allround-Handwerker und eine Küchenhelferin. Die anderen Angestellten stammten aus Rottach-Egern und wohnten verständlicherweise auch dort.
    Jeden Abend trafen sich die Personalhaus-Bewohner im Aufenthaltsraum, was grundsätzlich eine positive, das Gemeinschaftsgefühl fördernde Angelegenheit hätte sein können. In diesem Haus wurde jedoch kein Wert auf ein Gemeinschaftsgefühl jedweder Art gelegt. Statt dessen war die Stimmung üblicherweise von Aggressionen und exzessivem Alkoholkonsum geprägt. Von uns beiden, Maria von der Rezeption und den beiden Azubis abgesehen, handelte es sich hier um einen zusammengewürfelten Haufen von Alkoholikern aus verschiedenen Gegenden Deutschlands, aus Österreich, wie der Handwerker Franz, aus Jugoslawien, wie der Spüler Ivo, und aus Italien, wie der Kellner Adriano. Seit Jahren arbeiteten sie für eine Saison oder nur ein paar Wochen in solchen Hotels, dann zogen sie weiter. Mit ihrer Freizeit wussten sie, außer sich dem Alkohol zu widmen, nichts weiter anzufangen. Das Thema Ficken besaß zwar ebenfalls eine gewisse Bedeutung, wenn auch im Allgemeinen eher theoretischer Art, da meistens die dafür notwendige zweite Person fehlte, sich verweigerte oder einfach zu besoffen war. In der allergrößten Not wurde sogar Lore, die dicke, ältere Küchenhilfe, bestiegen, obwohl sie wirklich verdammt ramponiert aussah. Sie verfügte nur noch über zwei Zähne, in dem verlebten Gesicht zog sich eine Narbe, die wohl von einem Messer stammte, von einer Wange über die Nase bis unters Auge, die groben Hände waren rauh und rissig vom Arbeiten, das leere Dauergrinsen ließ darauf schließen, dass der weichen Masse in ihrem Kopf so wichtige Teile wie etwa das Großhirn fehlten – und wenn sie einen Satz von sich gab, was nicht immer zu vermeiden war, bestätigte sie diese Einschätzung mit wiederum bewundernswürdiger Zuverlässigkeit. Wie hoch der sexuelle Druck im Personalhaus offenbar war, konnte man daraus schließen, dass Lore mit jedem der männlichen Bewohner, die Azubis inbegriffen, sexuellen Kontakt gepflegt hatte. Die Azubis zeigten sich durchaus bereit, ihre Schwänze erneut und gern auch öfter in ihr zu versenken, doch sie kamen, laut Lores Bericht und zu Lores Leidwesen, bereits nach drei, vier Stößen zum Höhepunkt. ›Zum Höhepunkt‹ sprach sie ernsthaft und mit dem Bewusstsein, gewählt zu formulieren, aus. Aber zur Zeit befand sie sich ohnehin in festen Händen. Sie war seit nunmehr schon einer vollen Woche die Geliebte des jugoslawischen Spülers Ivo, einem gewaltigen Fleisch- und Knochenberg mit Bulldoggen-Gesicht und dem Gehirn eines Molchs. Vielleicht die große Liebe, dachte ich, wie bei Doris und mir.
    Da Lore alles ausplauderte, was ihr so durchs Hirn huschte, wussten alle, dass Ivo wie ein Stier fickte, dass er zärtlich sein konnte und ihr schon Blumen gepflückt hatte – im Garten des Hotels.
    Allerdings hatte sie mir gleich am ersten Abend hektisch zugezwinkert, mit diesem leeren Grinsen, und dabei die herausgestreckte Zunge flott bewegt – offenbar eine erotisch gemeinte Botschaft, die Ivo, dem Misstrauischen, nicht entgangen war und der sich auch gleich drohend vor mir aufgebaut und »das meine Frau« geknurrt hatte. Ich hatte beschwichtigend auf Doris gedeutet und gesagt: »Das meine Frau.«
    Dennoch hatte sich zwischen Ivo und mir keine richtige Freundschaft entwickelt, aber das lag vor allem daran, dass Ivo außer Lore niemanden mochte.
    Die Kellnerin Heike, eine hübsche Frau aus Speyer, konnte sich nicht entscheiden. Manchmal schlief sie mit dem Kellner Adriano, manchmal mit dem Koch Robert, saß manchmal mit beiden gemeinsam am Tisch, um mit ihnen zu saufen, und ich gewann den Eindruck, sie brauchte die ständig zwischen den beiden Rivalen knisternde Spannung – um sich wichtig zu fühlen, um einfach nur der Freizeit

Weitere Kostenlose Bücher