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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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ihre Gleichförmigkeit auszutreiben. Keine Ahnung, auf jeden Fall nervten die Streitereien, die von der schönen Heike, so bald sie abzuflauen drohten, bedenkenlos befeuert wurden.
    Die andere Kellnerin, Moni, galt als unnahbar. Zwar ließ sie sich auch mal dazu herab, an einem der Tische Platz zu nehmen, doch alles an ihr signalisierte, dass sie sich zwangsläufig aufgrund einer Laune des Schicksals in der falschen Gesellschaft aufhielt, sich eindeutig zu Höherem berufen fühlte, und die Vorstellung, mit einem der Kollegen ins Bett zu gehen oder auch nur eine vertrauensvolle Verbindung zu pflegen, lächerlich fand.
    Der andere Koch, Helmut, ein Rheinländer, der öfter vergaß, dass nicht das ganze Jahr über Karneval ist, war trotz oder wegen Monis Arroganz scharf wie eine Rasierklinge auf sie, bombardierte sie mit Komplimenten der plumpsten Art und trank zumindest am Monatsanfang echten Cognac, um ihr zu zeigen, dass er Qualität zu schätzen wusste.
    Franz, der Handwerker aus Wien, meistens schon während der Arbeitszeit angetrunken, gab sich gewohnheitsmäßig im Aufenthaltsraum richtig die Kante und hielt sich dann bis zur Bettschwere eisern am Flipper fest.
    Maria, hinter dem Rezeptionstresen durchaus selbstbewusst, fühlte sich in unserem Aufenthaltsraum unsicher wie in einer von Ratten bevölkerten Kloake; sie ertrug die Zoten, die Streitigkeiten und Lores leeres Grinsen nicht, der Kaschemmengeruch und der Rauch bereiteten ihr Kopfschmerzen, vor Besoffenen fürchtete sie sich. Deshalb huschte sie nur ab und zu auf einen Kaffee in die Lasterhöhle, bemüht unauffällig, so unattraktiv wie möglich gekleidet, um keine sexuellen Begierden aufkommen zu lassen.
    Da der Getränke-Automat an Alkohol nur Dosenbier – und das zudem in äußerst begrenztem Umfang – zu bieten hatte, fuhren die Leute regelmäßig mit dem Bus oder ihren Autos nach Rottach-Egern, um sich dort im Supermarkt mit Spirituosen und billigem Rotwein einzudecken. Weinbrand, pur oder verdünnt mit Cola, war sehr beliebt. Der Handwerker Franz trank Korn, egal ob kalt oder zimmerwarm. Er brauchte auch kein Glas, sondern setzte die Flasche gleich an den Mund, mit vorgeschobener Unterlippe, und ließ den Stoff verschwenderisch in sich hineingluckern.
    »Ekelhaft«, mokierte sich Moni jedesmal, schob huldvoll mit abgewandtem Gesicht ihren Cognac-Schwenker in Helmuts Richtung, der dann eilfertig und bemüht galant seine Hennessy-Flasche öffnete.
    Fünf Tische mit Resopalplatten. Eine offizielle Sitzordnung existierte zwar nicht, aber es hatte sich so eingebürgert, dass üblicherweise Moni und Helmut an einem bestimmten Tisch saßen, Heike, Robert und Adriano am Nachbartisch, dahinter Ivo und Lore, der Tisch neben ihnen stand Doris und mir zur Verfügung, am letzten Tisch, etwas abseits, vergnügten oder langweilten sich die Azubis. Franz stand wie immer am Flipper. Die Kornflasche ragte aus einer Tasche seiner Latzhose, die er nur einmal im Monat wechselte und auch in seiner Freizeit trug.
    Doris und ich hatten uns mittlerweile einigermaßen eingewöhnt und damit abgefunden, dass die meisten unserer männlichen und weiblichen Kollegen entweder Kotzbrocken oder Idioten waren. Das Zimmer, durch die Poster und den einmal wöchentlich gekauften Blumenstrauß notdürftig verschönert, erwies sich auch nach zwei Wochen nicht als das Zuhause, von dem wir träumten. Es war kein Ort, in dem man seine ganze Freizeit verbringen mochte. Natürlich tobten wir oft gemeinsam im Bett herum und taten dort Dinge, die ich bis dahin zwar schon des öfteren in meiner Phantasie, aber noch nie wirklich mit Frauen angestellt hatte – ein weiterer Pluspunkt für Doris –, doch die Enge des Zimmers trieb uns unbarmherzig, wenn auch meistens nur für ein, zwei Stunden, in den Aufenthaltsraum.
    Ein Uhr nachts, 19. September. Die Luft war trotz geöffneter Fenster mit Rauch und üblem Geruch durchsetzt. Vor uns stand eine halb geleerte Flasche Bourbon. In den Gehirnen unserer Kollegen herrschte die alkoholbedingte Blödheit. Das war um diese Uhrzeit nicht nur üblich, sondern schien den meisten der Anwesenden eine selbst auferlegte Pflicht zu sein, ein perverser Sportsgeist oder der Wunsch, wenigstens eine Sache konsequent durchzuziehen. Heute allerdings wirkten alle erregter als üblich, irgendwie aufgeputscht. Selbst Moni, die sich sonst mit dem Trinken schon wegen der Abgrenzung zum Pöbel vornehm zurückhielt, hatte in dieser Nacht eindeutig einen in der Krone.
    Der

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