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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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also«, sagte Doris aufatmend, »es geht doch.« Weil der zweite Kunde sie in der SS-Uniform hatte sehen wollen, saß sie nun, nach Feierabend, in diesem Horror-Outfit im Wohnzimmer, und es dauerte eine Weile, bis sie kapierte, dass ihr Erscheinungsbild Beklemmungen verursachte, zumal sie auch noch eine Reitgerte in der Hand hielt, mit der sie ständig, fast beschwingt, gegen ihre Stiefel schlug. Verständlich, die Aufregung, aber irgendwie nervig.
    »Okay, hab’s kapiert, ich zieh mich um.«
    Dann kam sie wieder, in ihren alten Jeans und einem weiten T-Shirt, und Fred bemerkte unsensibel, in ihrer Arbeitskleidung sehe sie interessanter aus.
    »Und? Wie war’s?«, fragte ich nach dem ersten Whiskey on the Rocks und versuchte, meiner Stimme einen geschäftsmäßigen, sachlichen Klang zu verleihen.
    »Och, mir hat’s Spaß gemacht«, gab Doris unumwunden zu. »Ich muss allerdings noch strenger werden und darf mich nicht hinreißen lassen, dem Sklaven gegenüber Nachsicht zu zeigen.«
    »Ich fand’s klasse.« Fred strahlte wie der Chrom an seinem Buick. »Nachdem er mich gevögelt hat, was ziemlich schnell gegangen ist, hat er mir unbedingt einen blasen wollen. Nun, ich hab mich nicht groß dagegen gewehrt.« Er lachte versonnen. »Das lass ich mir gefallen.«
    In dieser Nacht tranken wir gewaltige Mengen, was ganz in meinem Interesse lag. Wer besoffen ist, fickt nicht, dachte ich, denn ich hatte an diesem Tag keine Lust auf Sex mit Doris.
    Doch ich gewöhnte mich bald an die merkwürdigen Geräusche aus dem Domina-Zimmer. Nach einiger Zeit lief das Geschäft richtig gut. Mundpropaganda schien die beste Werbung zu sein. Wer einmal von Doris gequält und erniedrigt worden war, wurde Stammkunde, schwärmte von ihr, erzählte Gleichgesinnten von der kühlen, strengen und phantasievollen Herrin, aus Bad Nauheim kamen wohlhabende Kurgäste, die es begrüßten, nicht mehr nach Frankfurt fahren zu müssen.
    Außerhalb unserer Idylle war auf einmal die Hölle los: Arabische Terroristen entführten eine Lufthansa-Maschine, die in Mogadischu von einer Bundesgrenzschutz-Sondereinheit gestürmt wurde. Daraufhin brachten sich die RAF-Mitglieder Baader, Ensslin und Raspe in ihren Gefängniszellen um, der entführte Arbeitgeberpräsident Schleyer wurde ermordet, die ganze Bundesrepublik brummte und summte wie ein Bienenstock. Überall Polizei. Für die braven Bürger beruhigend, für Leute wie uns zum Kotzen. Wer Dreck am Stecken hatte, verkroch sich erst mal oder verhielt sich ganz, ganz vorsichtig.
    Fred hegte die Befürchtung, die »Schnepfe aus Bad Homburg« könnte in ihrer Bosheit den Bullen erzählen, dass seine Wohnung ein Nest der RAF sei. Es wurden ja tatsächlich in diesen Tagen überall Wohnungen gestürmt. Die Bullen waren extrem nervös – wegen des Drucks von oben, aber hauptsächlich weil sie selbst Schiss hatten.
    In der Friedberger Halb- und Unterwelt wusste man inzwischen, was in der Ludwigstraße vor sich ging. Unser kleines mittelständisches Unternehmen wurde jedoch zu unser aller Erleichterung nicht als Konkurrenz empfunden, sondern wohlwollend akzeptiert. Und mehr noch – von denen, die Fred schon lange kannten, waren die meisten froh, dass er endlich was Gescheites aus seinem Leben machte.
    Und wir drei Unternehmer? Waren erstens stolz auf den Erfolg, verstanden uns zweitens prächtig und fühlten uns drittens sauwohl in unserem Heim. Außerhalb der Geschäftszeiten herrschte pure Harmonie. Jeder von uns hatte den Traum von einem Zuhause seit Jahren mit sich herumgetragen, von einer Familie, die sich wesentlich von den Familien, in denen wir aufgewachsen waren, abheben sollte. Gegenseitiger Respekt, Rücksichtnahme, Freundlichkeit, ein offenes Ohr für die Sorgen der Mitbewohner – also nichts anderes als die Grundsätze vieler 60er-Jahre-Kommunen. Wir waren allerdings nicht politisch aktiv. Nicht etwa weil wir der Ansicht gewesen wären, die Forderungen von damals seien größtenteils erfüllt worden, oder die 68er seien gar gescheitert, nein, wir interessierten uns schon für Politik, fuhren aber momentan voll auf der Hedonismus-Schiene – was unsere ganze Kraft erforderte. Geld floss ja reichlich und wurde fleißig wieder ausgegeben – für einen neuen Fernseher, eine Stereo-Anlage, für Platten, den größten Kühlschrank, der zu kriegen war, mit geräumigem Gefrierfach, weil wir ja massenhaft Eiswürfel für unsere Whiskeys brauchten. Fred kochte übrigens das Wasser vorher ab, damit die

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