Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman
Eiswürfel nicht milchig, sondern transparent aussahen, doch das hielten Doris und ich für Snobismus. Ich hatte in Frankfurt einen Haufen Kohle für Klamotten ausgegeben und besaß nun mehrere Jeans, T-Shirts, Stiefel, Lederjacken und sogar feine Anzüge, in denen ich nicht seriöser, nein, eher wie ein Gangster der oberen Liga, aussah. Aber wahrscheinlich war das Einbildung. Doris lachte jedenfalls, als ich ihr das sagte.
Einmal klingelte Frau Kannegießer, die »Schnepfe aus Bad Homburg«, scheinbar um Freds Wohl besorgt, an der Tür, süßlich säuselnd, doch mit Krähenblick und witternd, wollte wie selbstverständlich die Wohnung betreten, doch Fred sagte ihr gleich, sie solle sich verpissen, sie sei eine im Frankfurter Bahnhofsviertel wegen ihrer Schweißfüße berüchtigte Nutte, das habe er aus verlässlicher Quelle erfahren.
»Musstest du denn so dick auftragen?«, fragte Doris später teils befremdet, teils amüsiert.
»Es war mir ein Vergnügen – ganz abgesehen davon, dass ich nicht mit ihr diskutieren wollte. Gleich kommt ja der Scheich.«
Kurz darauf traf der »Scheich« ein. Er war zwar kein Scheich, aber immerhin der vierundzwanzigste Sohn eines steinreichen Stammesfürsten aus einem der Emirate, weilte momentan zur Kur in Bad Nauheim und hatte sich zwei Tage zuvor ankündigen lassen. Am Nachmittag waren zwei wortkarge Männer mit Falkengesichtern aufgekreuzt, um akribisch Wohnung und Umgebung abzuchecken. Geheimnisvolle Welt, die wir nicht kannten, ich kam mir vor wie in einem Film. Wir waren angespannt bis zum Äußersten. Doris fühlte sich unsicher. Sie befürchtete, dem VIP-Kunden gegenüber nicht streng genug auftreten zu können.
»Mach dir keine Gedanken«, beruhigte ich sie. »Er will es so.«
Und nun drängten sich mehrere Leibwächter in den Flur; ihre rechten Hände steckten bedeutungsschwer hinter den Revers ihrer Anzugjacken. Harte dunkelhäutige Männer mit Killerblicken schwebten leichtfüßig durch alle Räume und verschafften Fred eine Erektion, die sowohl von mir als auch von den Bodyguards mit Befriedigung registriert wurde.
Dann betrat der Fürstensohn, leider nicht in der Tracht seiner Heimat, sondern in einem Seidenanzug, geführt von einem Sekretär und gefolgt von zwei weiteren Bodyguards, die Wohnung. Ein hübscher, schlanker Mensch Anfang dreißig, jedoch von Überdruss und Arroganz gezeichnet.
Der Sekretär, nicht minder arrogant, warf einen kühlen Blick auf mich und fragte: »Sind 2 000 Mark für das Vergnügen angemessen?«
Ich nickte – und schon lagen zwei Riesen vor mir.
Doris, in schwarzem Mieder, Netzstrümpfen und Stiefeln, bewegte sich hoheitsvoll auf den Orientalen zu.
Der wirkte schwerstens irritiert, wenn nicht gar verängstigt, ging sogleich in Abwehrstellung, wedelte hektisch mit den Händen und zischte unwirsch: »Not the woman! Elvis!«
Große Überraschung unsererseits. Aber eigentlich kein Problem. Fred, momentan unbeschäftigt und nun freudig erregt, trat mutig vor und stand bereit. Der große, weiche Elvis-Imitator wurde vom Fürstensohn mit Kennerblick gemustert und zu aller Erleichterung als
top quality
bezeichnet. Nach dem allgemeinen Aufatmen wurde der Wüstensohn lockerer, stieg sozusagen ein paar Stufen zu uns herab, dem niederen Gewürm, und gab eine Kostprobe seiner menschlichen Seite: »I always adored Elvis, you know, not the young one, no, just skin and bones, not my cup of tea. I loved the fat one. Since I saw him in Las Vegas I wanted to penetrate him.«
Gute zwei Stunden vergnügten die beiden sich bei lauter Elvis-Musik im Elvis-Zimmer, während ich mit den Bodyguards und dem ebenfalls aufgetauten Sekretär im Wohnzimmer bei leiser Elvis-Musik Kaffee trank und mir von Falkenjagd, Kamelwettrennen und Picknick in der Wüste erzählen ließ. Doris empfing einen Stammkunden, der sich über die Ansammlung dunkelhäutiger Kunden wunderte, aber keine Gefahr in ihnen sah.
Als Fred und sein Gast wieder auftauchten, wirkten beide ein wenig zerzaust, aber durchaus glücklich.
»He fucked me four times«, verkündete Fred bewundernd. Der Araber wehrte unerwartet bescheiden ab. »I just gave my best.«
Großer Applaus. Selbst Doris’ Kunde, der bereits vorbildlich bedient worden war und sich noch zu einem Kaffee hatte überreden lassen, klatschte gerührt.
Kurz darauf wurde es wieder förmlich. Die Bodyguards nahmen Haltung an, der Sekretär wandte sich, wieder voll und ganz das arrogante Arschloch, an mich und teilte mir so
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