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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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unpersönlich wie möglich mit, der Fürstensohn weile noch eine gute Woche in Bad Nauheim und habe die Absicht, Herrn Elvis noch zweimal zu besuchen. Selbstverständlich spiele Geld keine Rolle.
    Die Termine wurden abgesprochen, die Bodyguards wurden nebenbei streng ermahnt, nicht so gierig auf Doris zu starren. Ich verstand die Jungs. Frauen in Mieder und Netzstrümpfen sah man am Persischen Golf, wie ich annahm, nicht allzu häufig.
    Sonntags backte Doris immer einen Marmorkuchen. Nachmittags war dann Kaffeekränzchen. Fast schon Gartenlaubenkitsch, aber uns gefiel’s. Nach Feierabend hockten wir gern im Wohnzimmer oder in einer Kneipe zusammen, um uns Erlebnisse aus unserer Kindheit und natürlich aus dem Knast zu erzählen. Manchmal fuhren wir, mit einem Picknickkorb versehen, im Buick übers Land, hörten Musik, gingen ins Kino – von der Zukunft wurde kaum gesprochen, da wir uns in der Gegenwart so wohlfühlten wie nie zuvor.
    Als ich zum ersten Mal seit Jahren laut sang, einfach so, in einer der berauschenden Whiskey-Nächte, bester Stimmung und frei genug, es aus mir rauszulassen, horchten die anderen erstaunt auf. Ich sang natürlich
Runaway
, den Hit von Del Shannon, da meine Stimme der seinen ja angeblich ähnelte, hatte eigentlich nicht mit Applaus gerechnet, aber Doris und Fred klatschten ehrlich begeistert. Das sei klasse, sagte Fred, mit der Stimme könne ich garantiert auch Elvis-Songs hinkriegen.
    Eines Tages legte Doris ein Stück Haschisch auf den Wohnzimmertisch und stellte eine Wasserpfeife dazu, schaute uns erwartungsvoll an, aber wir reagierten anders, als sie erhofft hatte, nämlich steinhart ablehnend.
    »Elvis hat nie gekifft«, murrte Fred.
    Aufbrausend schnauzte sie ihn an: »Na und? Was soll das? Elvis hat sich auch nie in den Arsch ficken lassen! Und außerdem wäre er vielleicht noch am Leben, wenn er, statt zentnerweise Psychopharmaka zu fressen, öfter mal einen Joint geraucht hätte!«
    »Ich hab so was schon mal mit dieser Geli geraucht, die ständig einen Joint in der Hand hatte«, sagte ich, beide Hände abwehrend erhoben. »Danach ging es mir so dreckig, dass mich schon der Gedanke an eine Wiederholung zum Kotzen bringen würde.«
    Sie warf mir einen verächtlichen Blick zu. »Manchmal redest du wirklich nur Blech. Wie oft ist dir schon vom Alkohol so übel gewesen, dass du am liebsten gestorben wärst? Na ja, scheiß drauf, dann rauch ich das Zeug eben alleine. Ich kenn mich damit aus. Schließlich war ich deshalb im Knast.«
    Misstrauisch beobachtete ich, wie sie Wasser in den Bauch der Pfeife goss, wie sie eine Ecke des Haschischbrockens erhitzte und ein Stück davon zerkrümelte, mit Tabak vermischte und den Pfeifenkopf damit stopfte, wie sie die Pfeife anzündete und am Mundstück des Schlauchs saugte. Für mich sah das ganze wie eine Kulthandlung aus, und das diffuse Gefühl von Bedrohung geisterte in mir herum. Ich hatte früher zwar öfter mal Speed geschluckt, als erfrischende Stabilisierung beim Saufen. Aber die Drogenszene war mir stets suspekt gewesen, und diese Abneigung war nach der Begegnung mit Geli im August, auch wenn ich es nicht bewusst wahrgenommen hatte, noch verstärkt worden. Ich hatte sofort vermutet, dass sie sowie ihre beiden Rocker mit harten Drogen bestens vertraut waren. Und überhaupt, Einstiegsdroge, dann Heroin. Die Heroin-Schwemme. Man las ja zur Zeit beinahe täglich von Junkies, die tot aufgefunden wurden, in Bahnhofstoiletten, auf Parkbänken, in schäbigen Absteigen und verwahrlosten Wohnungen. Dazu die – wie hieß das noch? – Beschaffungskriminalität. Ich war informiert, hatte das alles im S PIEGEL gelesen. Das sagte ich Doris, mit einem Anflug von Stolz auf meinen hohen Wissensstand. Prompt blaffte sie mich an, wobei Unmengen Rauch aus ihrem Mund strömte: »Es nervt mich seit Jahren tierisch, wenn Leute, die von der Materie null Ahnung haben, haargenau diese vorgekauten Standardsätze wiederkäuen. Im Gegensatz zu dir, lieber Hans, bin ich mit beidem vertraut. Mit Haschisch und Heroin. Jeder, der von Shit zu Horse wechselt, macht das, weil er die volle Dröhnung sucht und sein krankes Hirn vernebeln will.«
    Fred, jetzt doch höchst interessiert, nahm jedes Detail des Schauspiels in sich auf. Blubbernde Wasserpfeife, Rauchsäulen wuchsen aus dem Pfeifenkopf, der bei jedem Zug hell aufglühte, Rauchwolken, exotisch riechend und das Zimmer füllend, aus Doris’ Mund, dann Doris stoned, der etwas trübe Blick und das schiefe Grinsen

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