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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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eine Ausstattung, die das Leben auch für kleinere Menschen erträglicher machte.
    Unsere nächste Anlaufstation war der Bahnhof, wo Scotty mit einem Taxifahrer eine Vereinbarung aushandelte, dass er Wachse jeden Tag dort oben absetzen und zu einer bestimmten Zeit wieder abholen sollte. Solange sie es wollte.
    Alles andere musste Wachse allein regeln.
    Wir brauchten fast den ganzen Tag, um alles zu erledigen. Frank und Martin folgten uns misstrauisch. Dass wir Wachse zurücklassen wollten, vergrößerte ihren Argwohn. Martin trug keine Prothese, lief nur auf Krücken und schimpfte auf mich. Sein Stumpf war durch die Anstrengungen der Bergtour wund geworden.
    Die beiden Alten tauchten nicht mehr auf. Sie waren ohne Abschied abgereist. Hätten sie weiteren Lohn verlangt, ich hätte wohl gezahlt. Nur die Rechung für ihr Zimmer hatten sie mir überlassen.
    Noch drei Mal hatten wir Wachse messen müssen. Das Ergebnis blieb gleich. Am Abend schlief sie vor Erschöpfung ein, und wir beschlossen, ohne sie zum Essen zu gehen. Martin und Frank standen an der Rezeption, fragten gerade nach einem Arzt, der sich mit Amputationen auskannte.
    Er zischte mich an: »Nur deshalb hast du mich den Berg hinaufgejagt, damit die alten Wunden aufbrechen.«
    Wir gingen in das bewährte Restaurant, und während wir auf unsere Bestellung warteten, erzählte Scotty die Geschichte von Martins Bein, wie sie ihr von William berichtet worden war.
    »Als du etwa zehn Jahre alt warst, soll Martin dich mit einem Pflanzenschutzmittel vergiftet haben. Erinnerst du dich daran?«
    »Ja, da war etwas. Aber ich weiß es nicht mehr genau.«
    »Im letzten Moment sei es bemerkt worden. Und weil sich William Godin so viel von dir erhofft habe, sei er in Wut geraten. Er hat euch beide gepackt, dich an das Steuer des Wagens gesetzt und Martin vor die Reifen gelegt, dann habe er dir zugerufen, du sollest die Handbremse lösen. Das hast du auch getan, und der Wagen rollte an. Er wollte Martin nur erschrecken und ihn im letzten Augenblick zurückziehen, doch dessen Bein habe schon unter den Reifen gelegen.«
    »Das hat er so erzählt? Wirklich?«
    »Ja. Er sagte, für dich sei das eine gute Erziehungsmaßnahme gewesen. Er wollte dich hart machen. Du solltest in der Lage sein, jemanden umzubringen.«
    »War das wirklich so? Er wollte Martin umbringen? Durch mich?«
    »Er hat mir die Geschichte im Lauf der Zeit zwei Mal erzählt. Jeweils gleich.«
    »Das erklärt einiges. Dann hatte Martin ein klares Motiv, William Godin zu töten. Ich hab mich schon gewundert, wie schnell er vor Ort war. Als ich mich bei ihm nach Williams Adresse erkundigte, reifte wahrscheinlich der Plan, seinen Großvater umzubringen. Er wollte mich als Mörder hinstellen. Begreifst du? Martins Tat ist vollkommen vergleichbar, nein, deckungsgleich mit dem Versuch von William, ihn zu töten und mich als Mörder hinzustellen. Er muss der Mörder William Godins sein!«
    »Ich verstehe diese Logik nicht«, sagte Scotty.
    »Wenn du jemanden gezielt umbringen willst ...«
    »Ja?«
    »... musst du einen Grund haben, einen Ausgleich zu schaffen, Gerechtigkeit herzustellen. Etwas wieder in Einklang zu bringen.«
    »Du meinst, Wut, Zorn, Eifersucht ...«
    »Was ist das schon?«
    »... Neid, Hass, Missgunst – das alles genügt nicht.«
    »Ich bitte dich, kann man es messen, wie Wachses Länge?«

17
    »Was ist das?«, fragte der Polizist. Er hatte tief in Scottys Rucksack gegriffen und ein faustgroßes Stück Fels hervorgeholt. Scottys Gepäck war aus der Durchleuchtungsanlage am Flughafen gekommen, und der Angestellte am Bildschirm hatte den Polizisten alarmiert.
    Scotty lächelte. »Ein Stein«, sagte sie. »Oder wofür würden Sie das halten?«
    Der Beamte brachte das Felsstück zu einem zweiten Beamten. Sie drehten es, wogen es in der Hand, dann gingen sie damit in einen hinteren Raum. Schließlich kam er zurück.
    »Nicht erlaubt«, sagte er.
    Scotty hob die Schultern. »Ein gewöhnlicher Stein ist nicht erlaubt?«
    »Sie wollen nicht wirklich mit mir diskutieren?«
    Scotty schwieg, wandte sich ab.
    Ton und Technik hatten wir bereits verabschiedet. Sie nahmen einen Flug nach Hamburg. Ihre Koffer hatten anstandslos die Kontrolle passiert.
    »Wie machen die das mit all ihrer komischen Technik?«, fragte Scotty. »Und ich kriege nicht mal ein Stück von einem Fels mit ins Flugzeug.«
    »Was wolltest du mit dem Stein?«
    »Den Piloten erschlagen, was denkst du denn!«
    »Nicht so laut.« Ich sah mich nach

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