Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman
über eventuelle Höhlen unter der Erde.«
»Was ist das für ein Scheiß?« Frank warf das Kabel zur Seite und drehte darunterliegende Felsbrocken um.
»Leg das wieder hin, wie es lag!«, brüllte Ton. Er war mit einem Sprung bei Frank. Sie standen sich gegenüber, berührten sich fast.
»Gold, Gold!«, rief ich, um sie abzulenken, und zeigte auf die Sonne. Alle hoben die Köpfe. Scotty lachte. Frank wich vor Ton zurück, verfluchte mich.
Scotty packte die Kamera aus und begann, den Platz von allen Seiten zu fotografieren. Dann wanderte sie umher, machte Fotos von uns und nahm einzelne Details auf.
Ich ging zweimal quer über das Geröll, fand nichts Auffälliges. Dann stellte ich mich mit dem Rücken an die kleinen Felsen neben Wachse.
»Was ist nun?«
Sie antwortete nicht. Ihre Lider senkten sich langsam, als wollte sie schlafen.
Scotty untersuchte jetzt einzelne Felsbrocken. Martin und Frank stocherten zwischen den Steinen. Nur die beiden Alten taten nichts, saßen im Schatten, lüfteten ihre Hüte und rieben sich die Gesichter.
»Was ist nun mit deiner Ahnung?«, fragte ich Wachse. Sie hielt die Augen geschlossen.
Scotty kam heran. »Ich hatte wenigstens Zeichen einer früheren Nutzung des Platzes erwartet. Mindestens aus einer Zeit der Herrschaft der Griechen. Bruchstücke von bearbeiteten Steinen. Aber hier ist nichts. Absolut nichts.«
»Wie erwartet«, sagte ich. »Hier ist nichts. Der Schatten zeigt nur auf uns selbst.«
Scotty berührte Wachses Schulter. »Wachse, was ist hier? Was spürst du?«
Wachse öffnete die Augen. »Alles in Ordnung«, sagte sie.
»Selbst wenn der Finger des Schattens zu anderen Jahreszeiten auf eine andere Stelle zeigt«, sagte Scotty, »archäologisch ist hier nichts zu finden.«
»Ist schon alles in Ordnung«, wiederholte Wachse.
»Werden wir es überleben, nichts zu finden?«, fragte Scotty.
»Sicher. Der gesamte Ort weiß inzwischen, dass wir hier oben etwas suchen.« Ich zeigte nach unten zur Küste. »Siehst du da unten die Ferngläser blitzen? Das ist unsere Lebensversicherung.«
»Hoffentlich ist es so.«
Technik rollte seine Kabel wieder zusammen. »Die Schallwellen zeigen keine Höhlung an«, sagte er.
Ton brachte die Ausbeute seines Metalldetektors: zwei verrostete Drahtkrampen.
Martin kam heran, verlangte, Wachse solle aufstehen. Er behauptete, sie verbärge etwas.
Wachse lächelte, sprang aus der Nische. Und Martin klopfte den Felsen ab, setzte sich selbst in die Mulde, um zu sehen, was Wachse von dort aus sah.
»Sag schon, wo es ist!«, brüllte er mich an.
»Was?«
»Was weiß ich. Irgendwas.«
Ich schüttelte den Kopf. Martin wandte sich ab, und in diesem Moment sahen wir es alle.
Scotty hielt sich die Hand vor den Mund. »Da liegt jemand.«
Am unteren Rand der Lichtung hob sich hinter dem Felsen ein nackter Menschenarm aus den Steinen. Der Arm wurde länger und länger, schlängelte sich schließlich als dicke weiße, teils rosafarbene Schlange über die Steine. Etwa drei bis vier Meter lang. Ihr Körper war mit blutenden Rissen übersäht. Sie hob ihren Kopf, sah zu uns herüber, und ich hatte den Eindruck, sie zeigte eine Form von Schmerz im Gesicht. Langsam kroch sie in den Wald zurück.
»Ein Albino«, sagte Scotty. »Selten unter den Schlangen.«
»Aber so riesig. Und was war das für eine?«
»Keine Ahnung. Man erkennt sie eher an der Farbe, der Maserung. Wenn die fehlt ...« Scotty hob die Schultern.
Die beiden Alten waren beim Anblick der Schlange aufgesprungen, hatten sich bekreuzigt und sich eilig auf den Rückweg gemacht. Martin sprang aus der Felsnische. Wir sammelten unsere Sachen ein.
»Warum hast du uns hierher geführt?«, fragte Frank. Sein Gesicht war blass wie die Haut der Schlange.
»Weil vor über zweitausend Jahren jemandem dieser Platz so wichtig war, dass er einen Plan von seiner Lage mit ins Grab nahm.«
»Möglicherweise«, ergänzte Scotty, »war es kein Plan. Sondern nur ein Bild, eine historische Ansichtskarte.«
»Es ist alles noch da«, sagte Wachse.
»Und was?«, fragte Martin. »Was ist es?«
»Die Schlange«, sagte Wachse.
»Ein zweitausend Jahre altes Ungeheuer.« Martin lachte.
Schweigend marschierten wir zurück. Die beiden Italiener weit voraus. Martin und Frank legten häufiger Pausen ein, blieben zurück. Scotty überließ ihnen eine Flasche Wasser. Nach einer Weile hatten wir sie aus den Augen verloren. Aber hier oben konnte man sich nicht verlaufen. Sie würden allein den Rückweg
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