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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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zurücklassen kann? Dass ich an dich gefesselt bin?«
    »So ist es.«
    Sie dachte eine Weile nach, dann griff sie nach meiner Hand.
    »Okay«, sagte sie. »Kauf die Ringe.«
    Tatsächlich stand Eva am Flughafen. Wie üblich in ihrem Turnerdress mit zwei schmalen blauen Streifen über den Brüsten, die, so kam es mir vor, sich etwas stärker abzeichneten. Scotty beobachtete uns beide sehr genau. Ich gab Eva einen Kuss auf die Wange.
    Als wir zum Wagen gingen, flüsterte Scotty: »Im Übrigen bin auch ich durchaus in der Lage, jungen hübschen Beduinenmädchen den Hals umzudrehen.«
    »Morgen früh«, sagte Eva, »gibt es für alle Familienangehörigen einen Termin beim Rechtsanwalt. William Godins Testament wird eröffnet und eine Vermögensaufstellung bekannt gegeben.«

18
    Meine Mutter versteckte ihr Gesicht hinter einem schwarzen Schleier. Martin kam ohne Krücken, aber er hinkte, verzog das Gesicht bei jedem Schritt. Er wich mir aus, sah mich nicht an. Seine Frau Zora wurde von Tochter Helen hereingeführt. Sie schob ihrer Mutter den Stuhl heran und kam zu mir, beglückwünschte mich leise zu dem perfekten Mord. Ihre Mutter sagte derweil so laut, dass alle es verstanden: »Kind, wir haben nicht viel Zeit. Ich habe eine wichtige Verabredung. Ich werde noch heute für immer verreisen. Ich weiß auch gar nicht, was das hier alles soll. Niemand mochte ihn, wer also will sein Geld?«
    Onkel Frederik fehlte, an seiner Stelle saß Salina am Tisch. Sie trug keinen Overall, sondern ein Jackett aus kariertem Stoff. Es war ein wenig zu groß. Darunter quoll ein weißes Männerhemd aus einer hellblauen Jeans. Die Sachen wirkten wie von der Altkleidersammlung, aber tausendmal gewaschen, die Säume aufgescheuert. Sie winkte mich heran.
    »Wir haben einen Opel Admiral aus den Sechzigerjahren. In zwei Wochen sind wir fertig. Alle Chromteile sind noch original.«
    »Wenn ihr keinen anderen Käufer findet, nehme ich ihn.«
    »Wir verhandeln schon mit einem Oldtimer-Museum.«
    »Wo ist Frederik?«
    »Ich habe bereits einen Fehler gemacht, als ich ihm vom Tod seines Vaters erzählte. Er betrank sich wieder. Hemmungslos. Ich brauchte vier Tage, um ihn wieder in die Werkstatt zu bringen. Von diesem Termin hier habe ich ihm lieber gar nichts gesagt.«
    »Aber der Tod William Godins müsste ihn befreit haben.«
    »Das Gegenteil ist der Fall. Am Ende seines Lebens ändern sich noch einmal alle Voraussetzungen für ihn. Er muss sich und mich nicht mehr verstecken. Er weiß nicht, wie das geht, normal leben, ohne Bedrohung.«
    Eine Angestellte des Rechtsanwaltsbüros trippelte in den Konferenzraum. Ihr enger Rock fesselte ihre Beine. Zu den auf dem Tisch stehenden kalten Getränken trug sie chromglänzende Thermoskannen mit Tee und Kaffee herein, kippte fast mit der Last.
    Auch Scotty und Eva hatten Einladungen erhalten, standen in der Tür und flüsterten. Sie machten Platz für Frank. Als Einziger trug er einen schwarzen Anzug, allerdings mit einer rosafarbenen Krawatte. Alles wirkte neu, wie im Vertrauen auf das bevorstehende Erbe gekauft. Ein dicker goldener Ring glänzte an seiner Hand, mit der er Lena hinter sich herzerrte. Sie hatte sich ihre dunklen Haare zu einer Igelfrisur verklebt. Er suchte sich einen Stuhl, wollte sie neben sich sitzen lassen. Aber als er sie losließ, sprang sie ein Stück zurück, hob beide Hände und brüllte: »Ich gehöre nicht dazu! Ich bin nur mit, weil der Alte allein das Wasser nicht mehr halten kann. Ich hab mit der ganzen Kakerlakenbande nichts zu tun!«
    »Setz dich«, brüllte er, »und halt dein Maul, du Nutte! Denkst du, ich lass dich allein an dem Bahnhof zurück, wo ich dich aus der Gosse gezogen habe? Du würdest doch wieder verschlampen.«
    Lena holte sich einen schweren gläsernen Aschenbecher vom Tisch, setzte sich mit gekreuzten Beinen auf den Fußboden und begann, sich eine Zigarette zu drehen, vielleicht war es auch ein Joint. Sie zündete ihn nicht an. »Wenn du hier nicht als Millionär rausgehst, bist du mich sowieso los«, knurrte sie.
    Eine andere Mitarbeiterin betrat den Raum, legte an der Stirnseite des langen Tisches neben einem Ordner auch einen Stapel Mappen ab.
    Es folgte ein älterer Anwalt mit grauem Haar. Ein Toupet, wie an der verschiedenartigen Färbung des Haares zu erkennen war. Sein dünner Körper steckte in einem himmelblauen Anzug, aus dessen Brusttasche ein rot kariertes Tuch hing. Die schwarze Krawatte war grob gestrickt. Unter dem Tisch entdeckte ich seine

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