Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman
eine Liste vorbereitet. In der linken Spalte sehen Sie die Immobilien und Ländereien und rechts den geschätzten Verkehrswert. Natürlich kann nichts davon vor Ende des Rechtsstreits realisiert werden.«
Er warf Kopien der Liste über den Tisch. Alle griffen danach. Es war ein ausreichend großes Vermögen, um bei einer Teilung jeden der Erben zum Millionär zu machen.
Der Anwalt warf ein weiteres Bündel Papiere auf den Tisch. »Hier weitere Kopien des Testaments und unserer laufenden Abrechungen. Wir haben von William Godin einen rechtsgültigen Auftrag zur Verwaltung aller Immobilien, Sachwerte und Konten, der auch über seinen Tod hinaus gültig ist, bis zur rechtsgültig feststehenden Erbteilung.
Sie können natürlich dagegen klagen. Weiterhin sind wir noch von dem Verstorbenen selbst sowie von Marlene Godin beauftragt worden, die Beerdigung und Trauerfeierlichkeiten auszurichten. Dagegen können Sie auch klagen. Allerdings ohne aufschiebende Wirkung.«
Der Anwalt erhob sich, nannte den Beerdigungstermin und den Ort und wies darauf hin, dass eine Kopie mit diesen Daten ebenfalls auf dem Tisch liege. Ohne Gruß verließ er den Raum.
»Der geht jetzt aufs Klo, um zu kotzen«, zischte Eva.
Scotty lachte. »Danke«, sagte sie.
Draußen auf dem Flur holte mich Martin ein.
»Nur damit du dich vorbereiten kannst. Ich bin ja kein Unmensch. Sämtliche Klagen sind bereits eingereicht. Ich habe Vollmacht von Frank. Und von mir persönlich hast du eine Klage wegen Betrugs mit der Folge schwerer Körperverletzung zu erwarten. Diese Farce der Reise nach Italien ist doch kaum anders als Betrug zu deuten.«
»Und die Körperverletzung?«
»Durch die Strapazen sind die Wunden an meinem Bein aufgerissen. Mehr noch, ich brauche eine neue, ihrer Elektronik wegen überaus teure Prothese. Die Folter auf dem Weg den Berg hinauf hat den von dir verursachten Stumpf vergrößert.«
»Er wächst?«, fragte ich.
»Du wirst bezahlen. Für alles wirst du bezahlen. Und du wirst William Godins Geld nicht behalten können. Schon morgen wird per einstweiliger Verfügung dein Konto gesperrt. Also, überleg dir schon mal, wovon du deinen Anwalt bezahlen willst.«
Er hinkte an mir vorbei.
»Der Stumpf wächst?«, fragte Scotty. »Ist das wahr?«
»Du glaubst doch nicht etwa diesen Unsinn.«
»Aber er hat doch auch in der Felsmulde gesessen. Genau wie Wachse.«
19
Das Freizeichen des Handys war ein lang gezogener Ruf, der aus den Bergen als identisches Echo zurückkehrte. Wieder ein vergeblicher Versuch, Wachse in Italien zu erreichen.
Auch Scotty war in ihrem Institut nicht ans Telefon zu bekommen. Sie holte Vorlesungen nach, arbeitete liegen gebliebene Post auf.
Mithilfe der Telefonauskunft wollte ich den Vermieter oder den Malder von Wachses Wohnung in Italien ermitteln, aber die Namen sagten mir nichts mehr. Ich rief unser Hotel in Sapri an. Der Mann an der Rezeption erinnerte sich an die kleine Frau, erzählte er in gebrochenem Englisch, hatte sie aber nie wieder gesehen.
Schließlich durchsuchte ich die Taschen der Kleidung, die ich in Sapri getragen hatte. In einer hellen, fleckigen Hose fand ich die Quittung aus der Bar Carpe Diem am Platz vor der Kirche. Ich rief an. Eine Frau nahm ab, verstand mich nicht, reichte den Hörer an einen Mann weiter. In spärlichem Italienisch stolperte ich mit meiner Frage durch die Leitung. Einen Augenblick Schweigen. Im Hintergrund redete jemand.
Dann sprach der Mann wieder ins Telefon. Ein Schwall von italienischen Wörtern. Ich identifizierte einige und reimte mir zusammen, dass die kleine Signorina vor etwa zwei, drei Wochen zuletzt gesehen worden war.
Wir hätten Wachse nicht ohne Begleitung zurücklassen dürfen. Beim Abschied hatte sie selbstbewusst gewirkt. Sie war überzeugt, einen kürzeren, direkteren Weg zu ihrer Felsnische zu finden. Aber sie hatte auch vernünftige Zweifel geäußert. Ihr Glaube könne ein Wahn sein. Sie habe nichts anderes vor, als dies herauszufinden.
Bei ihrem Versuch, einen kürzeren Weg den Berg hinauf auszukundschaften, könnte sie abgestürzt sein. Ich sah sie hilflos mit gebrochenen Beinen in einer Felsspalte liegen. Sie würde langsam verdursten und verhungern.
Ich wählte erneut Wachses Nummer. In diesem Moment klopfte und klingelte es, und gleichzeitig schwang meine Bürotür auf.
»Keine Ausflüchte. Ich weiß, dass Sie da sind.« Das Hitlermädchen aus der Detektei salutierte in der Tür.
»Kommen Sie schon rein.«
Diesmal trug sie
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