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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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einen langen schwarzen Rock bis zu den Knöcheln, und nur ihre schwarze Bluse weckte eine Erinnerung an militärische Schnittmuster. Der braune Riemen schräg über der Brust gehörte zu einer Handtasche.
    »Verzeihen Sie, ich wollte nicht stören.« Nachdem sie eben noch gebrüllt hatte, sprach sie jetzt mit leiser Stimme, verwendete jede nur mögliche Höflichkeitsform, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen. Für ihr Lächeln hatte sie einen rosafarbenen Lippenstift aufgetragen.
    Ich bot ihr einen Platz an einem Schreibtisch an.
    Umständlich bedauerte sie, damals etwas schroff mit mir umgegangen zu sein, lobte mich, wie viel Geduld ich gezeigt hätte, und begann, mein Büro und meine Arbeit zu bewundern. Wenn ich sie länger reden ließe, würde sie zu einem schwarzen Schleimberg werden.
    »Nun werden Sie mal wieder normal! Sagen Sie schon, was Sie wollen, oder ich schmeiße Sie raus.«
    Sie zuckte zurück. »Nun, ich würde mich gern ein wenig mit Ihnen über William Godin unterhalten. Ein wenig plaudern.«
    »Damit dieser geschmacklose Anwalt, für den Sie arbeiten, mich anschließend wegen Mordes anzeigen kann?«
    »Es geht eigentlich nur darum ...«
    »Dieser Anwalt! Ich frage mich, was ist das für ein Mensch, der glaubt, mit William Godin befreundet gewesen zu sein? Sagen Sie ihm, wenn er noch einmal in meiner Gegenwart einen himmelblauen Anzug zu hellgrünen Socken und gelbem Hemd trägt, erwürge ich ihn eigenhändig. Das scheint mir eine angemessene Strafe zu sein. Und ich erwarte eine tadellose Brustrasur oder ein geschlossenes Hemd. Ach, und sein Toupet sollte unbedingt nachgefärbt werden. Bitte sagen Sie ihm das.«
    Sie straffte sich, verzog die Mundwinkel zu einem Grinsen. »Tut mir leid, aber zu unseren Auftraggebern können wir keine Anmerkungen machen.«
    »Damit haben Sie schon mehr gesagt, als Ihnen wahrscheinlich erlaubt ist.«
    Ich ging in meine Pantry. »Kaffee?«, rief ich von hinten.
    »Schwarz!«, brüllte sie zurück.
    Ich brachte ein Tablett mit Kaffee und Keksen.
    »Sie sind auch von innen schwarz, was? Leider sind die Kekse, die ich Ihnen anbieten kann, nur braun.«
    »Ich bin auch von außen schwarz.«
    »Das sehe ich.«
    »Nein, sehen Sie nicht.«
    »Was dann?«
    »Nur mein Kopf, meine Beine und Arme sind weiß. Mein Rumpf ist schwarz. Oder sagen wir, blauschwarz.«
    »Wie das? Eine Hautkrankheit?«
    »Nein, eine vollkommene Tätowierung.«
    »Wirklich?«
    Sie nickte.
    »Also doch eine Krankheit.«
    »Ein Kunstwerk.«
    »Vielleicht beides?«
    »Ich bin unter bestimmten Umständen bereit, es Ihnen zu zeigen.«
    »Machen Sie keinen Unsinn.«
    »Wenn Sie mir den Tod William Godins schildern, zeige ich Ihnen meine Tätowierung.«
    »Ich erzähle Ihnen alles, was sie wollen, aber bleiben Sie angezogen.«
    Ich beschrieb ihr, wie ich in das Haus von William Godin gekommen war, wie ich ihn gefunden hatte. Sie fragte nach Details in dem Schlafzimmer, ob etwas auf dem Teppich neben dem Bett oder dem Nachtschrank gelegen habe.
    »Ich kann mich nicht erinnern. Lag da was? Sagen Sie mir, was Sie suchen, vielleicht hilft es meinem Gedächtnis auf die Sprünge.«
    »Ich denke an einen kleinen Behälter, in dem eine sehr geringe Menge einer Flüssigkeit aufbewahrt werden kann. Aber natürlich kann man ein paar Tropfen davon auch in einer großen Flasche oder einem verschließbaren Tiegel aufbewahren.«
    »Gift?«
    »Nicht direkt. Soviel ich weiß, gilt es in China als Heilmittel. Es besteht aus dem Extrakt von zwei hier vollkommen unbekannten Pflanzen.«
    »Die Ärzte sagen, er starb an einem Schlaganfall.«
    »Der Schlaganfall war die Folge eines Krampfes.«
    »Was bewirkt das Mittel?«
    »Es wird gewöhnlich chinesisches Parfum genannt. William Godin besaß etwas davon.«
    »Wie wirkt es? Ohne eine Antwort darauf sage ich Ihnen nicht, ob da etwas auf seinem Nachttisch lag.«
    »Nun, der Geruch ist so extrem, dass er zu ansatzlosem Erbrechen führt, wobei er gleichzeitig einen unbezwingbaren Atemreflex auslöst.«
    »Na und?«
    »Man atmet alles ein, was man erbricht.«
    »Daran stirbt man nicht.«
    »Doch. Die Bewusstlosigkeit setzt sofort ein. Wenn niemand in der Nähe ist oder helfen will, dann ...«
    Ich schwieg eine Weile, dann schloss ich die Augen. »Ich kann ziemlich präzise sagen, was alles auf seinem Nachttisch lag. Eine Uhr, eine kleine Schere, eine Packung Papiertaschentücher. Ich erinnere mich sogar an die Marke. Aber auf den ersten Blick nichts, was eine Flüssigkeit hätte

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