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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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Symmetrie oder wirkte so in dieser schiefen Umgebung. Wollte sie, dass ich sie berührte? Ich tat es nicht.
    »Ich bin also der falsche Mann für dich? Wie lange habe ich noch?«, fragte ich.
    »Es ist noch nicht Freitag. Unser Freitag. Nur an einem Freitag kann sich das Ende zeigen.«
    Sie wandte sich ab, ging zu den Kleidern und zog einen schwarzen Rock an, der bis über die Knie hinabreichte und sich eng anschmiegte.
    »Aber du selbst bist doch das größte und unüberwindbare Hindernis auf deinem Weg zur Frau.« Ich stand auf. »Was nützen dir da Männer, die nicht wissen, was du vorher warst. Du weißt es.«
    »Du hast es nicht begriffen, ich war nie ein richtiger Mann.«
    Sie ging zum Fenster, an dem ein langer, schmaler Spiegel lehnte. Die Häuser im Fensterbild neigten sich nach links unten. Ich erhob mich, war mit ein paar betrunkenen Schritten über den abschüssigen Fußboden bei ihr und stellte mich neben sie. In unserem Spiegelbild fehlte mein Kopf.
    Ich kam ihrem Urteil zuvor: »Vielleicht sind Rock und Bluse am elegantesten und unauffälligsten. Mir jedenfalls gefällt es.« In diesem Aufzug erinnerte sie mich an das Dienstmädchen meiner Mutter.
    Unter dem Vorwand, etwas zu trinken zu holen, ging ich in die Küche. Der Brief der Hausverwaltung war noch da. Ich prägte mir die Telefonnummer ein. Das konnte der direkte Weg zu meinem Großvater sein.
    Als ich mich umdrehte, stand Eva in der Küchentür.
    »Ja«, sagte sie, »ich bekomme Geld von ihm. Das weißt du doch längst. Ich hab diesen Brief extra hier hängen lassen, damit du Bescheid weißt.«
    »Du berichtest ihm?«
    »Er ruft ab und zu an. Nur durch sein Geld konnte ich die Operation bezahlen.«
    »Bezahlt er auch deine Brüste?«
    Ihre Lippen schoben sich unter die Nase, ihre Augen wurden schmaler. »Ich arbeite. Ich habe ein Geschäft. Ich verdiene auch selbst Geld.«
    Ich hob die Hände. »Entschuldige.«
    »Schon gut. Als ich eine Wohnung suchte, gab er mir diese.«
    »Es war wirklich einmal William Godins Wohnung?«
    Sie nickte, lehnte sich mit der Stirn an den Türpfosten und legte die gefalteten Hände auf den Kopf. Sie wollte mich nicht ansehen.
    »Wann bist du ihm begegnet?«
    »Ich kann mich nicht erinnern.«
    »Weißt du, wo er wohnt? Hast du eine Telefonnummer?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »War es sein Wunsch, dass du mit mir schläfst?«
    »Davon weiß er nichts.«
    »Er weiß es. Er hat dich dafür ausgesucht. Er hat dich benutzt wie alle anderen.«
    »Was für ein Unsinn!«
    Ich nahm den Brief der Hausverwaltung von der Wand und ging damit ins Wohnzimmer. Das Haus schwankte wie ein Schiff, ich suchte mit einer Hand Halt an der Flurwand. Eva folgte mir langsam, den Blick auf den Boden gerichtet. Sicher gab es einen Trick, sich in diesen Räumen zu bewegen, ohne Gleichgewichtsstörungen zu bekommen.
    Ich schob Eva das Telefon zu. »Du wirst dort anrufen.«
    Ich tippte auf den Brief und erklärte ihr, sie solle die Hausverwaltung um die Adresse William Godins bitten.
    Sie nickte, aber tat nichts. Sie starrte das Telefon an, als wüsste sie nicht, wie man es bedient. Plötzlich beugte sie sich vor, nahm den Hörer und den Apparat hoch und schlug beides mehrmals auf die Tischkante. Plastik- und Elektronikteile flogen davon. Dann, wieder vollkommen ruhig, nahm sie den zerbrochenen Hörer ans Ohr und sagte mit dünner Stimme:
    »Hallo, hier ist Eva Young, Sie wissen schon, Ihre Mieterin. William Godin hat bei mir einige Papiere liegen lassen, die ich ihm gern zuschicken möchte.«
    Sie antwortete sich selbst mit dunkler Stimme: »Tut uns leid, wir haben die Adresse nicht. Wir wissen nicht einmal, ob es William Godin überhaupt gibt, denn wir haben nur über einen Anwalt Kontakt.«
    »Ach, das ist aber schade«, piepste Eva ins Telefon und warf es in eine Zimmerecke. Sie stand auf und ging zu einem schiefen Ledersofa. Stöhnend legte sie sich hin und betrachtete die Zimmerdecke. »Das Schlimmste ist: Ich kann sein Geld nicht ablehnen und nicht mal zurückgeben. So wie du. Denn ich kriege es in einem Umschlag per Post oder jemand steckt es durch den Briefschlitz – und, verdammt noch mal, ich kann es gut gebrauchen.«
    Sie hob den Kopf und sah über ihren Körper. »Brüste oder nicht. Er kann dies alles als sein Werk ansehen. Ich kann machen, was ich will.«
    Sie legte sich wieder zurück, ihr offenes Haar berührte den Boden.
    »William Godin«, sagte sie, »ist nämlich mein Vater. Was hast du denn gedacht?«
    »Nein. Das glaube

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