Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman
Geschäft.«
Das Dienstmädchen verließ rückwärts den Raum. Mutter gab einen tonlosen Lacher von sich.
»Wenn man eines von den Godins lernen kann, dann ist es, Regeln, Prinzipien, Vorschriften und Verbote zu formulieren, die die nur den anderen ihre Grenzen aufzeigen, niemals aber für dich selbst gelten.«
»Warum hast du mich Großvater ausgeliefert, damals ...«
»Ich beantworte keine Fragen, die ein Warum enthalten. Merk dir das.«
»Ich will seine Adresse.«
»Ich habe sie nicht. Das sagte ich dir schon.«
»Großmutter ist auch nicht mehr im Telefonbuch verzeichnet.«
»Sie ist weggezogen. Ich weiß nicht, wohin. Auch das sagte ich dir schon. Auf Wiedersehen.«
»Und Vater?«
»Frank Godin, wenn du den meinst, der lebt in der Hütte.«
»In der Hütte?«
»Na ja, du weißt schon. Im Harz. Ich hab seit Jahren keinen Kontakt mehr. Vielleicht hat er sich doch noch überlegt, die Familientradition fortzusetzen.«
»Was meinst du damit?«
»Deine Familie, also die von William Godin, forscht seit Generationen nach einem Geheimnis. Sie versucht, etwas zu entschlüsseln. William hat es mir einmal überzeugend erklärt. Ich war geblendet von ihm. Mein Gott, ich war ein junges Ding. Und dann kommt einer, der einem mit einem Satz die Welt erklären kann. Vielleicht aber war ich nur fasziniert davon, wie sich jemand selbst einer Idee so sehr ausliefern kann, dass sich alles andere unterordnet. Aber natürlich ist alles totaler Blödsinn. Dein Dings, dein sogenannter Großvater, ist ein Narr, ein Idiot, einer der größten Verrückten in diesem ganzen Weltall. Aber er kann es sich leisten.«
»Was ist das für eine Idee?«
»Frag ihn selbst.«
»Wie finde ich ihn?«
»Mein armer kleiner Gordon, wir bekommen immer noch William Godins Geld, regelmäßig. Ich bin sicher, er hat uns nie aus den Augen gelassen.«
»Ich habe sein Geld abgelehnt.«
»Du bist eben ein Dummkopf. Sieh dir an, was ich dafür gekauft habe.« Sie nahm eine Glocke vom Tisch und ließ sie klingen. Das Dienstmädchen kam.
»Wie gefällt sie dir?«
»Das Mädchen?«
Sie war etwa Anfang zwanzig, sah aus, als käme sie aus Mexiko oder Südamerika.
»Sie versteht kaum unsere Sprache. Ich habe sie vom Geld William Godins gekauft. Jawohl, gekauft, denn ich bezahle ihr monatlich so viel, dass ihre ganze umfangreiche Familie davon leben kann. Und sie tut alles, wirklich alles für mich, mit sehr befriedigenden Ergebnissen, mein Sohn. Und auf so etwas willst du verzichten? Willst du das wirklich? Welche absurden Moralvorstellungen bringen dich dazu? Ach, fang nicht an, mit mir über den Wert von Menschen zu diskutieren.«
»Wie heißt sie?«
»Das Leid soll einen Namen haben, was? Das Drama ist nur Drama, nur erfahrbar, wenn es sich durch einen einzelnen Menschen personifizieren lässt, hä? Es gibt Millionen mit dem gleichen Schicksal.«
Ich wollte etwas erwidern, aber sie sagte: »Halt den Mund!«
Ich stand auf und ging zur Tür. Ich hob die Hand zum Abschied. »Ich hoffe, du erschießt sie nicht eines Tages.«
Doris Day wartete am Ende des Flures auf mich. Sie hielt mit beiden Händen einen gestreiften länglichen Geschenkkarton. Eine weiße Papierblume war auf dem Deckel befestigt.
»Ist es das, was ich vermute?«
Sie nickte, zog die Nase hoch. »Es ist vielleicht besser, ich mache noch ein Band darum.«
»Nicht nötig. Ist es innen sicher verpackt?«
»In einer Plastiktüte.«
»Gut.«
Sie gab mir das Paket. Es war schwerer als erwartet.
»Ich danke Ihnen.« Sie gab mir einen Kuss auf die Wange. »Sie sind mir wirklich eine Hilfe. Übrigens, heute Abend läuft Pillow Talk in der Originalversion als eine Art Director's Cut. Und ich habe keinen Begleiter.«
»Tut mir leid, heute kann ich nicht.«
Sie öffnete mir die Wohnungstür.
»Und morgen?«
»Ich versuche im Augenblick, meinen Großvater wiederzufinden, da ist es sehr schwierig für mich ... und wenn ich ihn finde, bringe ich ihn möglicherweise um, sodass ich danach nie wieder ... Sie verstehen?«
Sie folgte mir ins Treppenhaus.
»Wirklich schade, Sie würden einen hervorragenden Rock Hudson abgeben, dafür würde ich sorgen. Ich habe Perücken, und neulich ist es mir gelungen, bei einer Versteigerung einige Originalkleidungsstücke aus den Doris-Day-Filmen zu ergattern. Ein wunderbarer Anzug ist darunter. Man müsste die Hosen etwas kürzen.«
»Das nächste Mal.«
Sie blieb stehen, hob beide Hände und winkte damit.
Ich verließ das Haus, streckte das
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