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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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den Gefallen, es auszusprechen.
    »Und weiter?«
    »Gespräche darf ich noch nicht zu ihr durchstellen.
    »Hören Sie, ich brauche die Adresse meines Vaters.«
    »Name?«
    »Frank Godin.«
    Sie schien in einem Verzeichnis zu blättern. »Habe ich nicht. Aber Ihre Mutter hat ein kleines privates Telefonbüchlein. Wenn Sie schläft, könnte ich ...«
    »Was würde passieren, wenn sie es merkt?«
    »Ich wäre gefeuert, und Sie müssten mich heiraten. Sind Sie verheiratet?«
    »Nein.«
    »Dann ist ja gut.«
    »Nein, nicht gut. Was meinen Sie, warum ich mich mit Rock Hudson gemeldet habe?«
    »Oh. Sie sind doch nicht etwa ...«
    »Ich komme gleich vorbei. Ich bin überzeugt, ich bekomme die Adresse von Frank Godin von meiner Mutter.«
    Ich setzte mich in ein Taxi, ließ es als Zwischenstopp vor Evas Antiquitätengeschäft halten. Es war geschlossen. An der Tür hing ein neues Wursttablett mit ungeschickter Schrift: »Bin vielleicht gleich zurück.«
    Ich stieg wieder in das Taxi. »Würden Sie auch ein totes Tier transportieren?«, fragte ich.
    Der Fahrer war mit den Polstern seines Sitzes verwachsen, konnte nur noch den Kopf bewegen, schüttelte ihn. Er hielt vor dem Laden meiner Mutter.
    »Und Lebensmittel, würden Sie Lebensmittel transportieren?«
    »Selbstverständlich.«
    Ich reichte ihm das Fahrgeld. »Zum Beispiel ein Stück von einem toten Schwein?«
    Er kniff die Lippen zusammen. Ich stieg aus. Doris Day musste mich schon am Fenster beobachtet haben, denn als ich in den Hauseingang trat, gab der Türsummer ein Schnurren von sich.
    Meine Mutter versperrte breitbeinig den Wohnungseingang, die Arme in den Hüften. Unten, am Rand des chinesischen Morgenmantels, sahen ihre nackten Füße heraus. Zwei augenlose, rasierte Tiere. Hinter ihr hampelte Doris Day, diesmal in einem blauen Kostüm, das Gesicht verzerrt, die Arme erhoben. Sie wollte mir eine stumme Warnung zukommen lassen. Aber ich verstand nicht, was ihr Armeschwenken bedeutete.
    »Ich glaube«, sagte meine Mutter, »dass du ein wenig zu häufig hier auftauchst. Zwar versucht die da hinter mir, den Eindruck zu erwecken, du kämst ihretwegen, doch das will ich nicht hoffen. Auf Wiedersehen.«
    Sie schloss die Tür.
    Ich klingelte. Die Tür öffnete sich wieder, und ich blickte in den Lauf einer Pistole mit Schalldämpfer.
    »Gut«, sagte meine Mutter, »komm rein.«
    Sie steckte die Pistole in die Tasche ihres Morgenmantels, drehte sich um und ging vor mir den Flur entlang. Doris Day warf mir Küsschen zu.
    »Ich hasse all die Fragen, die du mir stellen willst«, sagte meine Mutter. Ich hatte Mühe, mit ihr Schritt zu halten.
    »Ich kann dir keine befriedigende Antworten darauf geben, ohne selbst verbogen dazustehen. Und diese Gestalt will ich nicht annehmen. Ich bin nicht bereit, für die Fehler in meinem Leben einzustehen. Ich bin nur bereit, immer weiter Fehler zu machen und sie als mein Vergnügen, meine Art, durch das Leben zu gehen, auszugeben. Du solltest es allmählich selbst wissen, es kostet so viel Mühe, sich aufrecht zu halten, es ist ein so schmerzhafter Prozess, dass es nicht auch noch notwendig ist, ständig alles zu rekapitulieren, was einen krumm macht. Ich will sterben ohne Reue. Hast du das verstanden?«
    »Nein.«
    »Ich bin moralisch so sehr außerhalb jeder Norm, dass ich nur noch Begründerin einer Sekte werden kann, die dann mein Verhalten zur Norm erheben wird, damit ich meinen Frieden finde. Und genau das habe ich jetzt vor.«
    »Du willst eine Kirche gründen?«
    »Es war ein Vergleich, du Idiot. Ich wollte dir sagen, dass ich nicht zu Kreuze krieche, es sei denn, es ist mein eigenes Kreuz.«
    Wir betraten ein Zimmer, in dem ein Frühstückstisch gedeckt war. Ein dunkelhaariges Mädchen mit schwarzem Kleid und weißer Schürze wartete neben dem Tisch. Sie versteckte ihre Arme so fest hinter dem Rücken, dass sie amputiert wirkten.
    »Bringen Sie noch eine Tasse, und dann verschwinden Sie!«, befahl meine Mutter. Sie setzte sich an den Tisch, lehnte sich zurück und ließ die Arme herabhängen. Kaum noch Körper unter dem chinesischen Stoff.
    »Warum ...«, begann ich. Meine Mutter schüttelte den Kopf.
    Das Dienstmädchen ließ die Tasse auf der Untertasse klappern, ein Signal ihrer Annäherung. Sie stellte sie vor mir ab, sah mich an und hob die Brauen.
    »Kaffee«, sagte ich. Es gab eine Kanne mit Kaffee.
    »Kuhmilch?«, fragte ich.
    Es gab tatsächlich ein Kännchen mit Milch.
    Meine Mutter lachte. »Das da unten ist nur ein

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