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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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Paket mit der toten Katze weit vor, damit es meinen Körper nicht berührte. Es gab im Grunde nur einen Menschen, dem ich dieses Geschenk bringen musste.

26
    »Geburtstag?«, fragte der Taxifahrer mit Blick auf mein Paket.
    »Nein, eine Beerdigung.«
    Ich ließ mich zu Eva Youngs Wohnung fahren. Sie stand in der Tür. Ich sah sie zum ersten Mal in einem Kleid. Ein Stück beigefarbener Stoff, der an zwei dünnen Trägern hing. Ihre Knie und Beine passten nicht dazu. Knochig und mit modellierten Muskeln wie für eine Plastik. Ihre Füße ragten unten heraus, als wäre das Kleid ein Lampenschirm.
    Sie blickte auf den Karton. »Ein Geschenk für mich?« Sie drehte sich sofort um und ging den schrägen Flur entlang.
    »Nein, nein, leider nicht. Ich war nur gerade auf dem Weg zu meinem Bruder. Er bekommt diesen Karton.«
    Ich stellte ihn auf dem Boden ab und folgte ihr in das Wohnzimmer. Wegen der schrägen Wände und dem schiefen Fußboden geriet ich ins Schwanken. Ich streckte die Arme aus und berührte die Wände. In dieser Wohnung benötigte ich zusätzlich meinen Tastsinn. Ich ließ die Wand los, ging auf Eva zu und versuchte sie zu küssen, aber sie wich mir aus.
    »Sieh mal«, sagte sie. Über einem der schiefen Sessel lagen zahlreiche Kleider.
    »Du willst doch nicht etwa deine schöne Sportleruniform aufgeben?«
    »Doch. Es ist fast so weit.« Sie zog das beigefarbene Kleid über den Kopf, war nackt. Sie griff nach einem anderen Stück aus schwarzem Samt mit roten Ärmeln. Sie hielt es sich an den Körper und legte es wieder weg, suchte ein anderes. Sie zupfte an den Stoffen, rieb das Material zwischen den Fingern, legte es gegen ihre Schenkel, als vergliche sie die Farbe des Gewebes mit ihrer Haut.
    Ihr Körper wirkte bei Tageslicht härter und fester, als ich ihn in Erinnerung hatte. Er ähnelte ihren Beinen. Einzelne Muskelpartien hoben sich deutlich ab.
    »Ich bekomme jetzt Brüste«, sagte sie. Sie hob ein blaues Kleid in die Höhe, versteckte sich dahinter. Dann raffte sie den Stoff zusammen und steckte den Kopf hindurch. Sie strich es über dem Körper glatt. Es war unterhalb der Brust gerüscht, aber sie füllte es noch nicht aus.
    »Ich muss mich vorbereiten.«
    »Wie schnell geht das mit den Brüsten?«
    Sie lächelte. »Du kannst es nicht erwarten?«
    »Ich schon, aber das Kleid kann es nicht abwarten.«
    Sie zog es wieder aus, warf es von sich und stieg in einen weißen, flexiblen Stoffschlauch, rollte ihn sich bis unter die Achseln hoch.
    »Außerdem mache ich mir nicht viel aus Brüsten.«
    »Die blonde Mechanikerin schien mir aber ganz üppig gebaut.«
    »Das Gegenteil ist der Fall. Sie ist magersüchtig, verbirgt es unter dem viel zu weiten Anzug. Warum bist du ihr gefolgt?«
    »Ich folgte dir. Ich wollte sehen, mit wem du zusammen bist.«
    »Eifersucht?«
    »Nein. So etwas Ähnliches, aber nicht vergleichbar.«
    Ich lachte, griff nach ihrer Hüfte. Der Stoff des Kleides war wie Gummi. Er gefiel mir. Er wirkte wie kalte Haut.
    »Ich folgte dir, aber leider verlor ich dich zwischendurch. Ein Gefühl, das geblieben ist. Auch als ich dich wiederfand.« Sie ging in dem Schlauch auf und ab.
    »Hübsch gesagt.«
    »Kommt es hin?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das Material des Kleides gefällt mir. Aber auch damit musst du warten, bis die Brüste da sind. Es sieht aus wie ein elastischer Verband.«
    »Manche Menschen halten mich für krank.«
    »Wofür hältst du dich?« Ich setzte mich an den schräg abfallenden Tisch.
    »Für konsequent. Ich bin dir gefolgt, um zu sehen, ob du wirklich nicht schwul bist oder nur irgendein Spezialist auf sexuellem Gebiet, für den ich Objekt bin. Zu meiner konsequenten Umwandlung in eine Frau gehört, dass ich am Ende auch ausschließlich als Frau anerkannt werden will.« Sie rollte den Schlauch wieder herab und zog aus dem Kleiderhaufen eine weite weiße Bluse.
    »Habe ich deinen Test bestanden? Hätte ich dazu mit einer Frau schlafen müssen? Salina – das ist die Mechanikerin – ist die Tochter meines Onkels, meine Cousine. Das wäre vielleicht kein Hindernis gewesen, aber sie wollte mich umbringen.«
    »Ich fürchte, du kannst den Test gar nicht bestehen. Keiner, der weiß, dass ich ein Mann war, wird mich je wie eine richtige Frau behandeln.« Sie knöpfte die Bluse zu, kam zu mir, stellte sich mit dem nackten Unterkörper dicht vor mich, spreizte die Beine etwas, zeigte mir ihr Geschlecht. Ich sah es zum ersten Mal bei Tageslicht. Es besaß eine perfekte

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