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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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Eva ging ans Fenster, sah hinab auf die Straße. »Wir haben sonst nichts gefunden. Vielleicht ist früher mal etwas da gewesen ...« Sie hob die Schultern. »Aber was?«
    »Die Godins waren alle Verrückte. Der Vater von Jakob Godin, also mein Ururgroßvater John Peter Godin, ist auch in den Bergen abgestürzt. Vollkommen verrückt. Er war kein Bergsteiger, hatte keinen Begleiter. Das muss man sich mal vorstellen, welch ein Wahnsinn, ohne Ausrüstung kletterte der in den Bergen herum.«
    »Wo ist das gewesen?«
    »In der Schweiz. Man suchte ihn, fand ihn aber auch erst Jahre später in einer Felsspalte. Und der davor, Karl Friedrich Godin, stürzte mit einem selbst gebastelten Ballon ab, einer Mongolfiere. Er wollte über die Pyrenäen fliegen. Alles Verrückte. Der Ballon brannte aus. Ihn fand man tot auf einem Feld, äußerlich unverletzt. Wenn man in der Familiengeschichte weiter zurückgeht, ist jede Generation durch einen mysteriösen Todesfall gekennzeichnet.
    Zum Glück bin ich offiziell kein Godin. Andererseits ist es wohl auch nicht angenehmer, Paulson zu heißen. Die Paulsons, die Eltern meiner Mutter, fand man tot in einem Waldstück bei Wiesbaden. Als ich klein war, hat mir meine Mutter mal die Stelle gezeigt. Ihre Eltern sollen beide ein Loch im Kopf gehabt haben. Wie kann etwas Selbstmord sein, wenn die gefundene Waffe nur zu einer der Kugeln passt? Aber das ist lange her, die Untersuchung längst abgeschlossen oder eingestellt.«
    Eva lehnte mit dem Rücken am Fenster und versteckte ihr Gesicht hinter ihren Händen.
    »Wir sind es nicht und sind es doch so sehr, dass wir es nicht sein wollen«, sagte sie. Es klang wie ein philippinisches Sprichwort.

28
    »Es soll eine Überraschung sein, deshalb will ich es nicht selbst abgeben.«
    Ich hatte zwei etwa zehnjährige Jungen auf ihren Fahrrädern angehalten. Sie nickten, und ich gab ihnen einen Geldschein und das Paket mit der toten Katze. Das Haus, in dem sie das Geschenk abgeben sollten, war nur fünfzig Meter entfernt. Im Telefonbuch hatte ich mich vergewissert, dass mein Bruder immer noch die gleiche Privatadresse am Stadtrand besaß. Nicht weit davon lagen sein Büro und sein Lager. Ich wusste nicht genau, womit er jetzt hauptsächlich Geld verdiente. Nach der Schule hatte er angefangen, mit allem Möglichen Handel zu treiben. Später war die Produktion von Werbefilmen dazugekommen.
    Die Jungen ließen ihre Fahrräder stehen und gingen mit dem Karton die Straße entlang. Ich setzte mich wieder in das von Eva geliehene Auto. Ein alter Citroen, dessen Lack im Regen stumpf geworden war.
    Als die beiden den Eingang von Martins Haus erreichten, fuhr ich langsam hinterher. Die Jungen gingen durch den Vorgarten und klingelten an der Tür. Ich rollte langsam vorbei, wendete und beobachtete sie von der anderen Straßenseite. Es öffnete niemand. Sie stellten, wie vereinbart, das Paket auf der Eingangsstufe ab und verließen das Grundstück. Ich nickte ihnen zu.
    Eine Weile wartete ich noch im Auto. Das Haus machte den Eindruck, als wäre jemand da. Tatsächlich kam nach ein paar Minuten eine junge Frau zur Tür. Ich kannte sie nicht. Sie betrachtete das Paket, tippte es mit dem Fuß an, dann bückte sie sich und nahm es mit hinein. Vielleicht hatte mein Bruder das Haus vermietet, oder er lebte nicht mehr mit Zora, sondern einer anderen Frau zusammen. Zora war älter gewesen als er. Sie betätigte sich als Astrologin, erstellte Horoskope für eine Zeitschrift. Mit missionarischem Eifer versuchte sie, jeden neuen Bekannten vom Einfluss der Planetenkonstellation auf sein Leben zu überzeugen.
    Ich fuhr zum Büro meines Bruders und parkte außerhalb des Geländes. Alles hatte sich verändert. Alles war weiß geworden. Die Mauern des zweistöckigen Gebäudes mit dem Flachdach blendeten mich fast. Ich betrat den Hof. Weißer Asphalt. Die Geschäfte mussten gut laufen. An der Seite parkten mehrere Fahrzeuge, darunter der Wagen, mit dem Martin bei Evas Laden vorgefahren war. Die Lagerhalle zur rechten Seite war vergrößert und mit weißen Platten verkleidet worden. Sie hatte eine große Schiebetür bekommen, sodass man vermutlich mit Autos hineinfahren konnte. Ich erinnerte mich, dass Martin früher einen großen Teil der Halle mit Stellwänden unterteilt hatte, um darin aus Antiquitäten zusammengestellte Zimmer zu präsentieren. Seine Werbefilme waren nicht hier entstanden, dafür hatte er jeweils ein professionelles Studio gemietet. Aber wer weiß, was sich in

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