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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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sich aus einem Zweig einen Schlangenstock geschnitzt. So ein langer Stab mit einer Gabelung, um den Kopf des Tieres damit am Boden einzuklemmen. Er wollte das Gift einer bestimmten Schlange haben. Ich weiß nicht mehr, von welcher. Vielleicht von einer Viper. Wir hatten uns ein Geländefahrzeug geliehen, machten Ausflüge, und er wartete auf eine Gelegenheit, seinen Schlangenstock einzusetzen. Aber wir sahen kaum Schlangen. Einmal fuhren wir in der Wüste eine Piste aus Sand und Geröll entlang, bis nur noch große Sanddünen um uns zu sehen waren. Wir stiegen aus, kletterten eine Düne hinauf, und dort oben stürzte er plötzlich. Als er sich aufrichtete, war seine Hose voller Blut. Sein Schlangenstock hatte sich ihm in den Oberschenkel des amputierten Beines gebohrt und war abgebrochen. Ein Stück steckte in seinem Fleisch. Er jammerte, ich solle sofort seinen Notfallkoffer holen. Natürlich hatten wir einen Erste-Hilfe- und einen Medikamentenkoffer bei uns. Es fand sich sogar ein kleines Operationsbesteck darin, steril verpackt. Sofort öffnete ich ihm die Hose, schnitt sie zum Teil auf, um sie herunterzuziehen. Zum ersten Mal entfernte ich seine Prothese, um ihm Erleichterung zu verschaffen. Ich schnitt auch seine Unterhose auf, denn das Holzstück steckte ziemlich weit oben. Er sagte, ich müsse es herausziehen und die Wunde dann untersuchen, ob noch Splitter oder Verschmutzungen darin verblieben waren. Ich wusste selbst, was zu tun war. Ich kannte den Verlauf der Adern und Venen. Es bestand die Möglichkeit, dass der Stock die Hauptschlagader getroffen hatte. Dann war es vielleicht besser, ihn stecken zu lassen und das nächste Krankenhaus aufzusuchen. Er könnte sonst verbluten.
    Während ich noch überlegte, stöhnte er, und sein Geschlecht hob sich, streckte sich mir entgegen. Ich zog den Stock schließlich heraus und desinfizierte die Wunde. Sie war nicht sehr tief. Die ganze Zeit berührte mich sein Geschlecht. Danach wollte er keinen einheimischen Arzt aufsuchen, erzählte mir Horrorgeschichten von Touristen, die in Marokko an Wundfieber gestorben waren, nur weil sie sich von einem hiesigen Arzt hatten behandeln lassen. Jeden Abend rief er mich zur Wundpflege, wenn Sie verstehen. Immer berührte er mich mit seinem Geschlecht. Er sagte, er liebe mich, er habe meine Mutter nur geheiratet, weil er mich liebte.«
    »Und hättest du nicht deiner Mutter ...«
    »Meine Mutter war immer irgendwo im Weltall, um die Zukunft herauszufinden, die für ihre Tochter gerade zu Ende ging. Außerdem erpresste er mich mit dem, was ich getan hatte.«
    »Es war doch nichts.«
    »Erzählen Sie das einem dreizehnjährigen Mädchen.«
    »Kamst du nicht auf die Idee, jemanden ins Vertrauen zu ziehen?«
    »Doch, ich ging zu Großmutter. Sie hörte mir gar nicht richtig zu, spuckte mich an und sagte etwas wie, ich sei das Kind, das sie nicht haben durfte, und ich solle mich gefälligst mit allen Problemen an meinen Erzeuger wenden. Aber wer war das? Ich beschloss, auf eine andere Art damit fertig zu werden. Ich schrieb alles auf, was er mir antat. Eine Liste seiner Untaten. Es erleichterte mich. Es funktionierte sogar, als seine Attacken mit meinem zunehmenden Alter stärker wurden. Einmal verlangte er, ich solle ihm einen Zahn ziehen. Er hatte bereits die notwendigen Geräte besorgt. Mehrmals kam er blutüberströmt und nackt aus dem Badezimmer und bat um Hilfe. Ich wusch ihn. Aber ich fand keine Wunde. Im Schlachthof hatte er sich Schweineblut besorgt und sich damit beschmiert.«
    »Hat er dich vergewaltigt?«
    »Ja, was denn sonst?« Einen Augenblick sah sie aus, als wollte sie auf mich losgehen. Dann erzählte sie weiter. »Er begann, Verletzte mit nach Hause zu bringen. Eine Frau, die sich die Pulsadern aufgeschnitten hatte, einen jungen Mann, der sich angeblich beim Holzhacken in den Finger gehauen hatte. Sicher ein Krimineller, der nicht zum Arzt gehen konnte. Es gelang mir, den Finger zu retten. Als ich fünfzehn wurde, sagte er, wenn ich ein eigenes Kind hätte und es wäre nicht richtig gesund, das würde mir doch Spaß machen. Zum Beispiel siamesische Zwillinge. Das wäre doch etwas ganz Großes im Leben. Er sagte, ich hätte die Gabe, verwachsene Kinder zu gebären. Er brachte mir Bücher darüber mit. Er meinte, ich solle vorbereitet sein. Er bedrängte mich nicht, aber ich ahnte, dass er etwas plante. Einmal erwachte ich nachts, und er stand mit Handschellen und einem Reagenzglas mit einer trüben Flüssigkeit an

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