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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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»Du hast dich gesträubt, als ginge es auf den Friedhof und nicht in ein neues, abenteuerliches Leben. Weißt du, Gordon ...«
    »Schon gut, schon gut. Jetzt will ich dich fahren. Es ist so verabredet«, schrie Helen von oben. Dann kam sie mit einem Koffer herab, schob ihn mit den Knien bei jeder Stufe vor sich her. Es war ein silberner Koffer.
    »Onkel ... Gordon brauchen wir nicht. Ich mache es. Ich mache es gern. Danke für Ihre Hilfe, Onkel Gordon. Sie können gehen.«
    »Aber Schätzchen, es ist doch viel einfacher, wir nehmen Gordon mit. Er kann besser fahren, er ist nicht so aufgeregt wie du. Und auf der Rückfahrt bist du nicht allein. Nicht wahr, Gordon, du kommst mit? Es ist nicht weit. In einer halben Stunde bist du zurück.«
    »Ja, sicher, ich fahre dich gern. Wohin geht es denn?«
    Helen stand hinter Zora und schüttelte energisch den Kopf, aber Zora nahm mich am Arm und ging mit mir die Stufen hinab zur Straße. »Ich erkläre es dir unterwegs. Ich habe es nämlich eilig.« Sie drehte sich um. »Helen, Kind, bring den Koffer.«
    Sie führte mich zu einem Geländefahrzeug und kletterte auf den Beifahrersitz. Helen öffnete die Heckklappe für den Koffer. Ich wollte ihr helfen, aber sie schob mich weg. »Verschwinden Sie, solange Sie noch Zeit haben«, flüsterte sie. »Meine Mutter ist verrückt. Es gibt kein Ziel. Wir fahren nirgendwohin.«
    »Umso besser. Ich fahre einfach ein bisschen mit. Ich habe Zeit. Ich fahre gern.«
    »Nein«, zischte sie. »Ich sitze am Steuer, ich.« Sie pochte sich mit dem Zeigefinger auf die Brust.
    »Schon gut.« Ich kletterte in den Fond. Helen startete, und Zora drehte sich zu mir. »Du hast es ja geschafft, genau zum letztmöglichen Zeitpunkt wieder aufzutauchen. Wo warst du die ganze Zeit? Nicht dass ich dich vermisst hätte ...«
    »Ich brauchte eine Auszeit von der Familie.«
    »Das verstehe ich gut. Du hättest es mir sagen können. Ich tue das Gleiche. Ich verlasse euch alle ab heute, für immer. Es ist der schönste Tag in meinem Leben.« Ihr Kopf wackelte, als wäre der Hals eine Spiralfeder.
    »Was hast du vor?«
    »Heute Morgen bekam ich den Anruf, auf den wir alle schon so lange warten. Ich bin nämlich die Kontaktperson. Wir werden abgeholt.« Sie sah auf ihre Armbanduhr. »In dreiundvierzig Minuten werde ich die Erde für immer verlassen, um auf dem Planeten Odinzeh zu wohnen. Ist es nicht wunderbar? Es wird herrlich!«
    »Willst du damit sagen, du wirst von Außerirdischen abgeholt?«
    »Außerirdische?« Sie lachte. »Sie sind wie wir, nur natürlich viel, viel intelligenter. Du kennst sie doch auch. Viele von ihnen wohnen auf der Erde, und es gibt regelmäßig einen Austausch zwischen unseren Planeten. Es kommen welche von ihnen auf die Erde, und einige von uns fliegen dafür nach Odinzeh. Ich habe so lange darauf gewartet, bis ich endlich an der Reihe war. Ach, Gordon, du glaubst gar nicht, wie froh ich bin.«
    Helen beobachtete mich im Rückspiegel, und ich zwang mich, keine ironischen Bemerkungen zu machen, und nickte nur.
    »Sie helfen uns«, fuhr Zora fort. »Glaubst du, es hätte auf der Erde einen Fortschritt ohne sie gegeben? Alle großen Erfinder waren Odinzeher. Edison, Benz, die Brüder Wright. Und sie sind so klug, dass sie neue Technik in einer Weise präsentieren, dass wir Höhlenmenschen sie begreifen können.«
    Sie wendete sich nach vorn. »Helen, fährst du auch richtig?«
    »Ja, Mutter. Ich weiß genau, wohin.«
    »Ein bisschen schade ist es schon, dass ich nicht mehr auf Helen aufpassen kann. Das tut mir schon leid. Aber ihr Horoskop ist für die nächsten Jahre günstig. Keine großen Überraschungen. Und ich habe ihr gesagt, wer ihr Vater ist, damit sie weiß, wohin sie gehört, und es nicht aus Versehen zu einem Inzest kommt. Du kannst sie nicht heiraten. Ist dir das klar? Das wäre eine Katastrophe.«
    »Mutter, bitte, das muss jetzt nicht sein.«
    »Doch, doch. Jetzt, wo ich gehe, ist es richtig, die Wahrheit zu sagen, die Dinge geordnet zu hinterlassen. Helen ist ein Kind von William Godin.«
    »Von Großvater? Nein.«
    »Doch, ja. Als ich mit Helen schwanger war, hat er mir versprochen für mich und das Kind zu sorgen. Gut, ich hatte mir das anders vorgestellt, aber dein Bruder war mir dann auch recht. Er ist ja eigentlich ganz nett, wenn man von seinen albernen Ideen absieht. Weißt du, er verlangte, ich solle mir ein Bein amputieren lassen. Er hatte schon eine Klinik, die es machen wollte. Ich hab ihn dann rausgeschmissen,

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