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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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gut aus, über einem Schachbrett zu sitzen und zu grübeln. Die Frauen mögen das.«
    Selbst für mich als Laien war jetzt erkennbar, dass die Figuren falsch auf dem Brett standen.
    »Du hast diesen blöden Kasten mit Absicht in dem Schaufenster platziert. Gib es zu.«
    »Beruhige dich.«
    »Hör zu, ich will, dass du aufhörst, mir nachzuspionieren, aufhörst, mir diese Frauen zu schicken. Was zahlst du denen?«
    »Höre ich recht? Mein Bruder beklagt sich über Frauen, die ihm vom Baum in den Schoß fallen, wenn er ihn schüttelt?« Martin hängte beide Arme über die hohe Stuhllehne und legte den Kopf schräg. »Sind sie dir zu normal, brauchst du was Exotischeres?«
    Er schnaufte. Sein Jackett hob sich hinter seinem Nacken, als wäre da ein Auswuchs seines Körpers, ein Buckel.
    »Und unter was für einer Art Verfolgungswahn leidest du?«, fuhr er fort. »Ah, ich verstehe, du willst die Sache einfach herumdrehen. Nicht du folgst mir, spionierst mich, meine Familie aus, sondern ich bin hinter dir her? Wer schickt mir bitte schön widerwärtige Geschenke, als wären wir noch kleine Kinder? Wer lauert in Hinterzimmern von Antiquitätengeschäften? So wie du damals alles ...«
    Er unterbrach sich, um den Kellner servieren zu lassen. Aus seinem grünen Cocktail stiegen dünne Nebelschwaden. Ich nippte an meinem Bier. Er hielt einen Finger in die künstlichen Wolken seines Getränks.
    »Erinnerst du dich«, fuhr er fort, »schon damals, als wir noch klein waren, hast du es hervorragend hingekriegt, alles so hinzustellen, dass es aussah, als wäre ich der Böse und du der Gute. Du willst also so weitermachen?«
    »Was ist mit dem Kasten?«
    »Eva Young kauft bei mir Antiquitäten. Großvater hat sie mir vermittelt. Anfangs spezialisierte sie sich auf Schreibtische. Dann wollte sie ihr Sortiment erweitern. Alle vierzehn Tage machte sie mit einem anderen Stück im Fenster ein Experiment. Sie selbst suchte sich die Dinge aus, auch den Kasten. Woher sollte ich wissen, dass ausgerechnet du an ihrem Laden vorbeigehst?«
    »Alles Zufall? Du hast ihr die Wohnung vermittelt. Es ist Großvaters Wohnung gewesen. Er hat ihr alles finanziert. Alles Zufall?«
    »Hör auf. Das Haus gehört nicht mehr William Godin. Woher Eva ihr Kapital hatte, weiß ich nicht. Sie ist auf der Antiquitätenseite eine meiner besten Kundinnen. Und sie verkauft gut, weil sie hervorragenden Kontakt zu speziellen Gruppen mit viel Geld hat. Geschäftsleute aus Asien.« Er nahm einen Arm von der Lehne, legte ihn in den Schoß, sein Anzug verzog sich schräg über seinen Körper, als wäre er ein völlig verwachsener Mensch.
    »Aber wieso besitzt du diesen Kasten?«
    »Du glaubst, er müsste dir gehören, ist es nicht so?«
    Sein Hemd spannte über der Brust. Die Knopfleiste öffnete sich und zeigte seine dunklen gekräuselten Brusthaare. Er zog einen Mundwinkel in die Höhe. »Mein lieber Bruder, du hast Pech gehabt. Jahrelang wurdest du von Großvater bevorzugt. Immer ging es um dich, du kamst an erster Stelle, dir wurden alle Wünsche erfüllt. Du durftest immer in den Ferien zu ihm. Wenn irgendetwas los war, kam er sofort angereist. Gordon hier, Gordon da. Ich bekam nur, was vom Tisch fiel. Du erhieltst die bessere Ausbildung, durftest endlos lange studieren. Mich zwang er, seine Geliebte Zora zu heiraten, damit sein Kind einen Vater bekam. Aber das habe ich mir gut, sehr gut bezahlen lassen. Dann, als du dich von der Familie losgesagt hattest, kam endlich einmal ich zum Zuge. Das kannst du mir nicht übel nehmen. Endlich war ich mal dran, Großvaters Liebling zu sein.«
    »Das meinst du nicht wirklich. Wenn einer von Großvater gequält wurde, dann ich.«
    »Ja, natürlich. Die Butter auf dem Brot war dir nie genug, du wolltest auch noch den Schinken. Und verdammt, du hast ihn dann jedes Mal bekommen. Was für eine Qual! Ich bedaure dich.«
    »Was du für einen Vorteil hieltst und noch hältst, war ein Geschäft unserer Eltern mit Großvater. Sie haben mich an ihn verkauft, damit er Experimente mit mir machen konnte, für die man ihn heute noch ins Gefängnis bringen könnte. Und dieser Kasten ist ein Teil seiner Folter gewesen.«
    Er lachte. »Ich kenne den Kasten. Ich selbst habe damit gespielt, nachdem du ihn nicht mehr wolltest. Großvater füllte ihn mit Lehm, und ich baute kleine Landschaften darin. Er war ein wunderbares Spielzeug.« Er legte die Hände auf den Tisch, zog die Schachfiguren zu sich heran und stellte sie auf seiner Seite auf.
    »Ja,

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