Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman
eine Lösung«, sagte er, als hätte er uns belauscht.
Wir sahen ihn an. Er trat ganz ins Zimmer. »Ich gehe zu dem Geschäft und nehme die Schuld auf mich.«
»Dann tu das. Du warst es ja wahrscheinlich auch.«
»Ich habe eine Quittung. Ich bin unschuldig. Aber ich würde es auf mich nehmen, unter einer Bedingung.«
»Was willst du?«
»Katia soll mit mir aufs Zimmer kommen und tun, was ich verlange.«
Ich sah Katia an, sie schob die Lippen vor. »Wie alt bist du?«, fragte sie.
»Er ist noch dreizehn«, antwortete ich für ihn, damit er nicht log. Es waren noch drei Monate bis zu seinem vierzehnten Geburtstag. »Komm«, sagte Katia und nahm ihn am Arm.
Sie schlossen die Tür hinter sich. Ich legte den Kopf an das Holz, aber sie flüsterten, und ich konnte kein Wort verstehen. Auch das Schlüsselloch gab keinen Blick frei. Ich ging nach unten in die Küche. Meine Mutter saß am Tisch und blätterte in einer Zeitung. Sie schnaufte, hob schlaff die Hände. »Lass es sein. Erzähl mir nichts.«
»Aber ich war das nicht. Wirklich nicht.«
»Ich glaube, das spielt keine Rolle«, sagte sie. Sie blickte nicht auf, sondern tippte mit dem Finger auf eine Zeile in dem Artikel, den sie gerade las.
»Was soll ich tun?«
»Frag deinen Großvater.«
Ich ging wieder hinauf, klopfte an die Zimmertür meines Bruders.
»Was macht ihr da?«
Es blieb alles still. Ich ging in mein Zimmer, legte mich aufs Bett. Nach einer Weile kam Katia leise zurück. Sie hatte die Schuhe in der Hand, zog sie an, packte ihre Schultasche. Ich setzte mich auf.
»Ich dachte, du schläfst.«
»Nein, ich habe auf dich gewartet.«
»Bis morgen«, sagte sie.
Ich stand ganz auf. »Was hat er gewollt?«
Sie schüttelte langsam den Kopf, sagte nichts, winkte und ging.
Am nächsten Nachmittag kam mein Großvater. Er fragte nichts, lud nur seine Reisetasche ab und ging sofort zu dem Händler.
Mein Bruder kam aus der Schule und sagte, er hätte alles erledigt.
»Wie?«
»Ich habe gesagt, wie es wirklich war. Und ich habe ihm das Geld gegeben. Er hat es genommen, obwohl er es schon von Großvater bekommen hatte.«
»Und wie war es denn wirklich?«
»Ich habe eines der Autos gekauft und ein zweites geklaut.«
»Aber wofür brauchtest du das Zweite?«
»Genau dafür.« Er grinste. »Denn ich war es auch, der den Händler angerufen und ihm gesagt hat, wer das Auto geklaut hat.«
»Warum ... Was wolltest du von Katia?«
»Frag sie doch.« Er drehte sich um und ging. »Ich bezweifle, dass sie die Wahrheit sagen wird.«
Wenn ich Katia danach fragte, stieß sie immer nur die Luft aus, sagte etwas wie: »Dein kleiner Bruder, der ist doch blöd«, so als spielte er noch im Sandkasten und wäre nicht für voll zu nehmen. Ich wusste aber, dass er in einem Hohlraum seines Kleiderschranks ein Heft mit nackten Frauen verbarg.
Später kam Großvater zurück, er roch nach Alkohol und Pfefferminz, hatte keine Zeit, sondern fuhr gleich wieder los, um sich am Abend mit jemandem zu treffen. Über den Besuch bei dem Händler verlor er kein Wort. In der Nacht hörte ich ihn noch einmal. Er sprach laut mit meiner Mutter. Am nächsten Morgen war er nicht mehr da.
Mit Katia war wenig später Schluss. Sie wollte es so. Mir war es egal.
34
Ich stellte Evas Wagen vor ihrer Wohnung ab. Sie war nicht da, und ich warf den Autoschlüssel und die Papiere in ihren Briefkasten.
Es war noch genug Zeit, mich zu Hause umzuziehen und dann zu Fuß das Hotel zu erreichen. Der Portier grüßte mich, indem er zwei Finger seiner weiß behandschuhten Hand an die Stirn führte. Im Foyer des Hotels roch es nach einem Messingputzmittel. Wie jedes Mal überraschte mich die Tiefe der Teppiche. Ich sank mit den Füßen ein, watete durch das rote Moos zu den künstlichen Bäumen vor dem Eingang der Bar. Es waren weitere Bäume und Ranken hinzugekommen. Vielleicht hatte die Direktion vor, die Bar und ihre Alkoholikerbesatzung hinter einem Wald zu verstecken.
Eine Gruppe Pinguine, Männer im Smoking oder in schwarzem Anzug mit weißem Hemd, standen am Rand des Tresens und tranken gelbe Flüssigkeiten mit Eiswürfeln. Ich entdeckte meinen Bruder an einem der Seitentische. Sie besaßen eingelassene Schachbrettmuster. Mein Bruder war der Erste, den ich mit einem aufgebauten Spiel daran sitzen sah.
»Kennst du Scotty?«
»Wer ist das? Ein Hund?« Er lächelte, wies auf den freien Platz ihm gegenüber. »Sitz!«
»Du spielst Schach? Ich kann es nicht.«
»Ich auch nicht, aber es sieht
Weitere Kostenlose Bücher