Das Janson-Kommando: Thriller (German Edition)
signalisierte ihm noch etwas, indem sie sich nicht von der Stelle rührte. Der Wächter rauchte eine Zigarette. Eine Hand hielt die Zigarette, die Augen folgten dem Rauch, waren halbgeschlossen, wenn er einen Zug nahm. Das Nikotin trübte seine Wahrnehmung. Eigentlich eine Chance für sie zuzuschlagen: den kurzen Lauf ihrer schallgedämpften MP5K herumzureißen und innerhalb eines Sekundenbruchteils zu feuern. Doch sie tat es nicht. Waren da mehrere Wachposten? Oder ein Mann allein, dessen Tod auffallen würde, wenn er sich nicht mehr meldete? Und vielleicht würde der nächste Wächter den Schuss hören.
Janson machte einen Schritt zurück, sehr vorsichtig, falls ein Knöchel oder Knie unter ihm nachgab, nachdem er so lange reglos gestanden hatte. Jetzt näher zum Baum, an die raue Rinde drücken, um den Stamm herum, sodass sein Blickfeld weiter wurde. Seine Augen schweiften hinauf zu der Stelle, von der der Rauch herabwehte.
Etwas bewegte sich. Ein Kampfstiefel, mit Klebeband geflickt, baumelte vor und zurück, eine unbewusste Bewegung der Langeweile. Ein Wachposten, angeödet von seiner eintönigen Aufgabe, ließ den Fuß schwingen wie ein Pendel. Janson schlich um den Baum herum, bis er über dem Stiefel Tarnkleidung sah: zuerst den Unterschenkel des Wächters, dann das Knie, eine schwere Automatikpistole, die er in einem behelfsmäßigen Holster am Oberschenkel trug, und schließlich den langen Lauf eines russischen Maschinengewehrs aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, das er im Schoß liegen hatte.
Janson zog sein Messer.
Gesicht und Hals des Wächters waren von Blättern verdeckt. Auf der dunklen Haut seiner Arme glänzte der Schweiß, doch seine Brust war von einer alten Gefechtsweste mit Tarnmuster bedeckt. Sie war zwar nicht kugelsicher, bot jedoch einen gewissen Schutz gegen ein Messer. Janson suchte die Umgebung des Wächters ab. Er war sich ziemlich sicher, dass der Mann allein war. Wer so leichtsinnig war, in seiner Langeweile eine Zigarette zu rauchen, der würde sich bestimmt auch unterhalten, wenn er einen Gesprächspartner hätte. Der Mann nahm erneut einen tiefen Zug von seiner Zigarette und blies einen Rauchring hervor, der sich zu Jessie herabsenkte.
Janson nahm sich vor, direkt auf den Mann zuzustürmen. Vier Schritte, dann mit dem Messer an die Kehle, wo die Weste keinen Schutz bot. Doch den Mann zu töten, war nur der letzte Ausweg, für den Fall, dass er zu schnell reagierte oder Jessica entdeckte. Die Mission war am ehesten zu erfüllen, wenn sie unbemerkt ins Lager gelangten, den Arzt befreiten und ebenso ungesehen wieder verschwanden. Einen Wachposten zu töten, war nicht in ihrem Sinn, es sei denn, er ließ ihnen keine Wahl.
Plötzlich sprang der Soldat von seinem Ast. Als er auf dem Waldboden stand, sah Janson sein Gesicht: das eines gelangweilten Teenagers. Janson umfasste sein Messer noch fester und wartete darauf, dass Jessica feuerte. Doch sie rührte sich nicht von der Stelle, und im nächsten Augenblick sah Janson, warum. Der Junge hatte sie nicht gesehen. Er schulterte sein Maschinengewehr und fingerte an seinem Hosenschlitz. Er pinkelte an den Baum, auf dem er gesessen hatte. Als er fertig war, zog er den Reißverschluss hoch, drehte sich um und marschierte lautlos den Pfad hinauf.
Als Janson zu Jessie kam, stand sie gegen einen Baum gelehnt und trank aus ihrer Wasserflasche. »Nicht schlecht«, sagte er.
Ihre Augen hellten sich auf. »Ich war noch nie in meinem Leben so froh, den Rauch einer Zigarette zu riechen. Ich dachte schon, der Hundesohn rührt sich gar nicht mehr.«
Sie machten Rast und schliefen den Rest des Nachmittags, immer abwechselnd eine Stunde, während der andere Wache hielt.
In der Nacht waren Janson und Jessica in ihrem Element. Sie durchdrangen die Dunkelheit mit ihren leistungsstarken digitalen Nachtsichtgeräten der dritten Generation, die eine stark verbesserte Version eines frühen Air-Force-Modells darstellten. Die sechsundzwanzigtausend Dollar teuren JF-Gen3 PSFENVG-D-Geräte lieferten ihnen ein klares Bild mit messerscharfer Sicht nach vorne und in einem Winkel von fast sechzig Grad zu beiden Seiten.
Der Infrarotverstärker stellte Ziele aus Fleisch und Blut heller als leblose Objekte dar. Der FFM-Wächter, den Janson an einen Baum gelehnt stehen sah, leuchtete stärker als der Baum und das Sturmgewehr in seinen Armen. Zwischen den Felsbrocken hinter dem Wächter blitzten seine dort postierten Kameraden wie helle Flammen hervor.
Ihre
Weitere Kostenlose Bücher