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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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wohl auch ein bisschen, ehe ich mich umschaute. Henkell lachte. «Die Amis haben einen Tontaubenschießplatz auf der anderen Seite des Flusses», sagte er auf dem Weg zur Eingangstür. «Alles, was Sie hier ringsum sehen, haben die Amis requiriert. Dieses Gebäude lassen sie mich für meine Arbeit benutzen. Aber vor dem Krieg war es das Labor des hiesigen Krankenhauses.»
    «Braucht das Krankenhaus jetzt kein Labor mehr?»
    «Nach dem Krieg wurde es zum Gefängnisspital», sagte er, während er seinen Türschlüssel suchte. «Für unheilbar kranke deutsche Kriegsgefangene.»
    «Was fehlte denen denn?»
    «Überwiegend psychiatrische Fälle, die armen Kerle», sagte er. «Schützengraben- und Bombenneurosen, solche Dinge. Nicht mein Gebiet. Die meisten starben nach einem Ausbruch von viraler Meningitis. Die Übrigen haben sie vor einem halben Jahr etwa in ein Münchner Krankenhaus verlegt. Das hiesige Krankenhaus wird jetzt gerade in ein Erholungsheim für amerikanische Militärangehörige umgewandelt.»
    Er öffnete die Tür und ging hinein. Aber ich blieb stehen und starrte einen parkenden Wagen auf der anderen Straßenseite an. Diesen Wagen hatte ich schon mal gesehen. Ein hübscher, zweitüriger Buick Roadmaster. Glänzend grün, mit Weißwandreifen, einem schrägen Heck und einem blitzenden Kühlergrill.
    Ich folgte Henkell durch die Tür in einen schmalen Flur, wo es bemerkenswert warm war. An den Wänden hingen Fotos berühmter Wintersportler – Maxi Herber, Ernst Baier und Willy Bogner beim olympischen Eid und ein paar Skispringer, die wohl gedacht hatten, sie flögen direkt nach Walhalla. Im Haus roch es irgendwie chemisch und gleichzeitig organisch und modrig, wie nasse Gartenhandschuhe.
    «Tür zu», rief Henkell. «Hier drin muss es warm bleiben.»
    Als ich mich umwandte, um die Tür zuzumachen, hörte ich Stimmen, und als ich mich wieder zurückdrehte, stand mir ein alter Bekannter im Weg. Es war der Amerikaner, der mich in Dachau dazu genötigt hatte, meinen Garten umzugraben.
    «Nanu, wenn das nicht der Kraut mit Prinzipien ist», sagte er.
    «Aus Ihrem Mund ist das kein besonderes Kompliment», sagte ich. «Na, in letzter Zeit mal wieder irgendwelches jüdische Gold gestohlen?»
    Er grinste. «In letzter Zeit nicht. Inzwischen gibt es davon nicht mehr so viel. Und Sie? Wie läuft das Hotelgeschäft?» Er wartete meine Antwort nicht ab, sondern drehte, ohne mich aus den Augen zu lassen, den Kopf und brüllte nach hinten: «Hey, Heinrich. Wie kommen Sie an diesen Kraut? Und was zum Teufel macht er hier?»
    «Hab ich Ihnen doch erzählt.» Henkell trat wieder in den Gang heraus. «Das ist der Mann, den ich im Krankenhaus kennengelernt habe.»
    «Sie meinen, er ist der Detektiv, von dem Sie sprachen?»
    «Ja», sagte Henkell. «Kennen Sie sich?»
    Der Amerikaner trug ein Sportsakko. Es war grau und aus Kaschmir. Dazu ein graues Hemd, eine graue Wollkrawatte, graue Flanellhosen und schwarze Oxfordschuhe. Seine Brille war anders als damals. Die neue war aus Schildpatt. Aber er sah immer noch aus wie ein Musterschüler.
    «Aus meinem früheren Leben», sagte ich. «Als ich noch Hotelier war.»
    «Sie hatten ein Hotel?»
    Henkell sah mich an, als fände er die Vorstellung völlig absurd. Was sie ja auch war.
    «Und raten Sie mal, wo», sagte der Amerikaner amüsiertverächtlich. «In Dachau. Nicht mal zwei Kilometer vom ehemaligen Lager.» Er lachte laut. «Herrgott, das ist doch, als würde man ein Kursanatorium in einem Bestattungsinstitut eröffnen.»
    «Es war immerhin gut genug für Sie und Ihren Freund», bemerkte ich. «Den Amateurzahnarzt.»
    Henkell lachte. «Meint er Wolfgang Romberg?», fragte er den Amerikaner.
    «Genau den», sagte der Amerikaner.
    Henkell kam den Flur entlang und legte mir die Hand auf die Schulter. «Major Jacobs ist bei der Central Intelligence Agency», erklärte er und dirigierte mich in den nächstgelegenen Raum.
    «Für einen Militärpfarrer habe ich ihn auch nicht gehalten», sagte ich.
    «Er ist ein guter Freund von Erich und mir. Ein sehr guter. Die CIA stellt uns diese Räumlichkeiten und Geld für unsere Forschungsarbeit zur Verfügung.»
    «Aber irgendwie scheint es nie genug zu sein», sagte Jacobs pointiert.
    «Medizinische Forschung kostet eben», sagte Henkell.
    Wir gingen in ein Büro, das auf ansprechende Art professionell und medizinisch wirkte. Ein großer Aktenschrank auf dem Fußboden, ein Biedermeierbücherschrank mit Dutzenden von medizinischen

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