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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Fachbüchern und obendrauf ein Totenkopf. Ein Erste-Hilfe-Schränkchen an der Wand, neben einem Foto von Truman. Ein Jugendstil-Getränketablett mit einer großen Auswahl an Alkoholika und Mixgerätschaften. Ein Walnuss-Rokokoschreibtisch, der unter Riesenstapeln von Papieren und Schreibkladden begraben war, mit einem weiteren Totenkopf als Briefbeschwerer. Vier oder fünf Kirschbaumstühle. Und eine Bronzebüste mit einem Schildchen, demzufolge es sich um Alexander Fleming handelte. Henkell deutete durch eine Doppelschiebetür auf ein sehr gut ausgestattetes Labor.
    «Mikroskope, Zentrifugen, Spektrometer, Vakuumpumpen», sagte er. «Das kostet alles Geld. Der Major musste zuweilen inoffizielle Geldquellen auftun, um uns flottzuhalten. Dazu gehörten auch Oberscharführer Romberg und sein Dachauer Notgroschen.»
    «So ist es», knurrte Jacobs. Er zog die Gardine des Bürofensters beiseite und starrte misstrauisch hinaus in den hinteren Garten der Villa. Zwei Vögel lieferten sich einen lautstarken Kampf. Die Regulationsmechanismen der Natur haben einiges für sich. Ich hätte auch nichts dagegen gehabt, Jacobs eins zu verpassen.
    Ich lächelte. «Es hat mich wohl nicht zu kümmern, was der Major mit den gestohlenen Wertsachen all dieser armen Menschen gemacht hat.»
    «Da haben Sie recht», sagte Jacobs. «Kraut.»
    «Woran arbeiten Sie eigentlich, Heinrich?», fragte ich.
    Jacobs sah Henkell an. «Erzählen Sie’s ihm um Himmels willen nicht.»
    «Warum nicht?», fragte Henkell.
    «Sie wissen nichts über diesen Mann», sagte er. «Haben Sie außerdem vergessen, dass Sie und Erich für die amerikanische Regierung arbeiten? Ich würde ja das Wort ‹geheim› benutzen, wenn ich nicht das Gefühl hätte, dass Sie nicht mal wissen, wie man das buchstabiert.»
    «Er wohnt in meinem Haus», sagte Henkell. «Ich vertraue Bernie.»
    «Ich versuche immer noch, dahinterzukommen, warum eigentlich», sagte Jacobs. «Oder ist das einfach so ein SS-Ding? Alte Kameraden? Oder was?»
    Ein bisschen fragte ich mich das auch immer noch.
    «Ich habe Ihnen doch erklärt, warum», sagte Henkell. «Erich ist oft einsam. Vielleicht sogar suizidal.»
    «Herrgott, ich wünschte, ich wäre so einsam wie Erich», schnaubte Jacobs. «Dieses Weibsbild, das sich um ihn kümmert, Engelbertina oder wie sie heißt. Wie irgendjemand in ihrer Gesellschaft einsam sein kann, ist mir schleierhaft.»
    «Da hat er nicht ganz unrecht», sagte ich.
    «Sehen Sie? Selbst der Kraut stimmt mir zu.»
    «Ich wollte, Sie würden dieses Wort nicht benutzen», sagte Henkell.
    «Kraut? Was ist denn dabei?»
    «Das ist, als würde ich Sie Itzig nennen», sagte Henkell. «Oder Schmul.»
    «Tja, gewöhnen Sie sich dran, Kumpel», sagte Jacobs. «Die Itzige haben jetzt das Sagen. Und ihr Krauts werdet tun müssen, was man euch sagt.»
    Henkell sah mich an und sagte dann spitz und überdeutlich: «Wir arbeiten hier daran, eine Waffe gegen die Malaria zu finden.»
    Jacobs seufzte vernehmlich.
    «Ich dachte, dagegen gibt es schon Mittel», sagte ich.
    «Nein», sagte Henkell. «Es gibt zwar diverse Medikamente. Manche sind wirksamer als andere. Chinin. Chloroquin. Atebrin. Proguanil. Einige haben recht unangenehme Nebenwirkungen. Aber mit der Zeit werden die Erreger natürlich Resistenzen gegen diese Wirkstoffe entwickeln. Nein, wenn ich sage, eine Waffe gegen die Malaria, meine ich mehr als nur das.»
    «Warum geben Sie ihm nicht gleich die Safeschlüssel?», sagte Jacobs.
    Henkell ließ sich vom offenkundigen Missfallen des Amerikaners nicht beirren. «Wir arbeiten an einem Impfstoff. Das wäre doch wirklich eine gute Sache, meinen Sie nicht auch, Bernie?»
    «Ich denke schon.»
    «Kommen Sie, schauen Sie es sich an.» Henkell hielt mir die erste Glasschiebetür auf. Jacobs folgte uns.
    «Wir haben hier eine Doppeltür, damit es im Labor ordentlich warm bleibt. Es könnte sein, dass Sie Ihre Jacke ausziehen müssen.» Er schloss die erste Glastür, ehe er die zweite öffnete. «Wenn ich länger drinnen bin, trage ich normalerweise nur ein Tropenhemd. Es ist wirklich ziemlich warm hier. Wie im Treibhaus.»
    Sobald die zweite Tür offen war, schlug mir die Schwüle entgegen. Henkell hatte nicht übertrieben. Es war, als beträte man einen südamerikanischen Urwald. Jacobs schwitzte bereits. Ich zog mein Jackett aus und krempelte meine Hemdärmel auf.
    «Jedes Jahr sterben fast eine Million Menschen an Malaria», sagte Henkell. «Eine Million.» Er deutete mit dem Kinn auf

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