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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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auf mir spielen zu lassen. Wie auf einem Steinway, wenn ihr denn danach war. Außerdem war es eine ganze Weile her, dass mich eine Frau anders als irritiert oder allenfalls neugierig angesehen hatte. Also kam sie in dieser Nacht, als Grün schlief und Henkell wieder im städtischen Krankenhaus in München war, in mein Zimmer, um mir eine Heilbehandlung der besonderen Art angedeihen zu lassen. Und während der nächsten zehn Tage schritt meine Genesung zu unser beider Befriedigung voran. Jedenfalls zu meiner.
    Es ist komisch, wie man sich fühlt, wenn man nach einer langen Pause wieder der Liebe frönt. Als ob man in den Schoß der Menschheit zurückkehrt. Wie sich herausstellen sollte, war das bei mir nicht der Fall. Ich wusste es nur noch nicht. Aber ich war es gewohnt, nicht alles zu wissen. Im Dunkeln zu tappen, ist für einen Detektiv ein Berufsrisiko. Selbst wenn ein Fall abgeschlossen ist, ist es immer wieder erstaunlich, was man alles nicht herausgefunden hat. Was im Dunkeln bleibt. Bei Britta Warzoks Fall war ich mir nicht sicher, ob er als abgeschlossen gelten konnte. Klar, ich hatte mein Geld bekommen und noch dazu ein hübsches Sümmchen. Aber so vieles war immer noch ungeklärt. Eines Tages gelang es mir, mich an ihre Telefonnummer zu erinnern, und ich beschloss, sie anzurufen und sie geradeheraus nach dem zu fragen, was mir immer noch schleierhaft war. Zum Beispiel, woher sie Pater Gotovina kannte. Und ich dachte mir, dass es Zeit war, sie wissen zu lassen, wie hart ich ihre tausend Mark verdient hatte. Also griff ich, während Engelbertina Grün im Bad behilflich war, zum Telefon und wählte ihre Nummer.
    Ich erkannte die Stimme des Dienstmädchens wieder. Wallace Beery im schwarzen Kleid. Als ich fragte, ob ich die Hausherrin sprechen könne, wurde die ohnehin schon reservierte Stimme so entrüstet, als hätte ich vorgeschlagen, wir sollten uns zu einem romantischen Essen bei Kerzenschein treffen und dann schnell zu mir gehen. «Die was?», knurrte sie.
    «Die Hausherrin», sagte ich. «Frau Warzok.»
    «Frau Warzok?» Die Entrüstung bekam etwas Höhnisches. «Die ist hier nicht die Hausherrin.»
    «Na gut, wer dann?»
    «Das geht Sie wirklich nichts an», sagte sie.
    «Hören Sie», sagte ich, allmählich etwas verzweifelt. «Ich bin Ermittler. Ich könnte es in Erfahrung bringen.»
    «Ermittler? Ach ja?» Der Hohn war unvermindert. «Sie sind ja ein feiner Ermittler, wenn Sie nicht wissen, wer hier wohnt.»
    Volltreffer. Ich spürte ihn so deutlich, als hätte Vlad, der Pfähler, den Schlag gelandet.
    «Ich habe vor ein paar Wochen schon mal angerufen. Da habe ich Ihnen meinen Namen und meine Adresse gegeben und Sie gebeten, Frau Warzok zu bestellen, sie möge mich bitte zurückrufen. Und da sie es daraufhin getan hat, gehe ich davon aus, dass Sie beide zumindest miteinander kommunizieren. Und noch etwas. Es ist strafbar, einen Polizisten bei der Ausübung seiner Pflicht zu behindern», sagte ich. Ich hatte nicht behauptet, ich sei Polizist. Das war nämlich auch strafbar.
    «Einen Moment, bitte.» Sie legte den Hörer nieder. Es klang, als hätte jemand auf die tiefste Taste eines Xylophons gehauen. Ich hörte gedämpfte Stimmen, dann passierte eine Weile gar nichts, bis schließlich der Hörer wieder aufgenommen wurde und jemand anderes dran war. Die wohlartikulierte Stimme am anderen Ende war männlich und kam mir irgendwie bekannt vor. Aber woher?
    «Wer ist da, bitte?», fragte die Stimme.
    «Mein Name ist Bernhard Gunther», sagte ich. «Ich bin Privatdetektiv. Frau Warzok ist meine Klientin. Sie hat mir diese Nummer gegeben, damit ich sie erreichen kann.»
    «Frau Warzok wohnt hier nicht», sagte der Mann kühl, aber höflich. «Sie hat hier auch nie gewohnt. Eine Zeitlang haben wir Anrufe für sie entgegengenommen. Solange sie in München war. Aber jetzt ist sie, glaube ich, wieder zu Hause.»
    «Ach? Und wo ist das?»
    «In Wien», sagte er.
    «Haben Sie eine Telefonnummer, unter der sie erreichbar ist?»
    «Nein, aber eine Adresse», sagte er. «Möchten Sie die haben?»
    «Ja. Bitte.»
    Wieder herrschte eine Weile Stille, während der Mann wohl die Adresse heraussuchte. «Horlgasse zweiundvierzig», sagte er schließlich. «Wohnung drei, neunter Bezirk.»
    «Danke, Herr …? Hören Sie, wer sind Sie? Der Butler? Woher soll ich wissen, dass Sie mir keine erfundene Adresse gegeben haben? Nur um mich abzuwimmeln?»
    «Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß», sagte er.

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