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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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nachdem die RAF und die U. S. Eighth Air Force mit ihnen fertig gewesen waren. Mainz sah aus wie ein Lehmziegeldorf in Abessinien. Jülich, als ob jemand mit einer frühen Atombombe experimentiert hätte. Es reichte, um mir wieder klarzumachen, wie total die Zerstörung gewesen war.
    «Es wäre ja nicht ganz so schlimm», sagte Jacobs jetzt, «wenn Sie nicht Papiere und Dokumente einfach herumliegen ließen. Das ist sensibles Material, das der Geheimhaltung unterliegt.» Und mit diesen Worten riss er mir die Zeitschrift aus der Hand und ging durch die Doppeltür zurück ins Büro.
    Ich folgte ihm neugierig. Henkell ebenfalls.
    Vor dem Schreibtisch stehend, fischte Jacobs eine Schlüsselkette aus seiner Hosentasche, schloss einen Aktenkoffer auf und warf die Zeitschrift hinein. Dann verschloss er ihn wieder. Ich fragte mich, was in dieser Zeitung Geheimes stand. Jede Woche wurde Life millionenfach auf der ganzen Welt verkauft. Aber vielleicht benutzten sie die Zeitschrift als Codeschlüssel. Ich hatte gehört, dass so etwas heutzutage üblich war.
    Henkell schloss die Glastüren sorgfältig hinter sich und lachte. «Jetzt hält er Sie für verrückt», sagte er. «Und mich vermutlich gleich dazu.»
    «Es kümmert mich einen Dreck, was er denkt», sagte Jacobs.
    «Meine Herren», sagte ich. «Es war sehr interessant. Aber ich glaube, ich sollte jetzt gehen. Es ist schön draußen, und ich kann ein bisschen Bewegung gebrauchen. Wenn Sie nichts dagegen haben, Heinrich, würde ich gern versuchen, zu Fuß zurückzugehen.»
    «Das sind sieben Kilometer, Bernie», sagte Henkell. «Sind Sie sicher, dass Sie dem gewachsen sind?»
    «Ich glaube schon. Ich möchte es gern versuchen.»
    «Warum nehmen Sie nicht meinen Wagen? Major Jacobs kann mich ja nach Hause bringen, wenn wir hier fertig sind.»
    «Nein, wirklich», sagte ich. «Ich schaffe das schon.»
    «Tut mit leid, dass er so unhöflich war», sagte Henkell.
    «Nehmen Sie’s nicht krumm», sagte Jacobs zu ihm. «Ist nicht persönlich gemeint. Es hat mich überrascht, dass er hier so unvermutet wieder aufgekreuzt ist, weiter nichts. In meinem Metier hat man nicht gern Überraschungen. Das nächste Mal treffen wir uns bei Ihnen zu Hause. Trinken was zusammen. Das ist dann entspannter. Einverstanden, Gunther?»
    «Klar», sagte ich. «Wir trinken was und gehen dann ein bisschen im Garten buddeln. Wie in alten Zeiten.»
    «Ein Deutscher mit Humor», sagte Jacobs. «Das gefällt mir.»

26
    Wenn man Polizist wird, muss man als Erstes auf Streife. Man muss zu Fuß gehen, damit man Zeit hat, Dinge zu bemerken. Von einem Streifenwagen aus, der mit fünfzig dahinfährt, bemerkt man nicht viel. «Plattfußindianer» wird man schon mal genannt, während man Nagelstiefel trägt. Wäre ich mit Henkells Mercedes gefahren, hätte ich nie durch die Seitenscheibe von Jacobs’ Buick geschaut und folglich nie gesehen, dass der Wagen nicht abgeschlossen war. Und ich hätte nicht noch mal zur Villa zurückgeblickt und mich dran erinnert, dass man die Straße und den Wagen vom Bürofenster aus unmöglich sehen konnte. Ich mochte Major Jacobs nicht, trotz seiner Beinahe-Entschuldigung. Natürlich gab es keinen Grund, seinen Wagen zu durchsuchen. Aber andererseits trifft das Wort «Schnüffler» meinen Charakter nicht schlecht. Ich bin ein professioneller Stöberer, Topfgucker und Steinchenumdreher, und ich war nun mal sehr neugierig auf den Mann, der auf der Suche nach jüdischem Gold meinen Garten hatte umgraben lassen und der geheimhaltungsbewusst – um nicht zu sagen paranoid – genug war, eine alte Nummer von Life wegzuschließen, nur damit ich nicht hineinguckte.
    Der Buick gefiel mir. Die Vorderbank war so geräumig wie das Bett in einem Pullman-Schlafwagen, das Lenkrad hatte die Größe eines Fahrradreifens, und das Autoradio sah aus wie der Teil von einer Jukebox. Der Tacho ging bis hundertzwanzig Meilen pro Stunde, und mit dem Achtzylinder-Reihenmotor und dem Dynaflow-Getriebe traute ich dem Wagen mindestens hundert davon wirklich zu. Etwa einen Meter vom Tacho entfernt, auf der Sonnenseite des Armaturenbretts, war die dazu passende Tankuhr. Unter der Uhr war ein Handschuhfach für jemanden mit deutlich größeren Händen, als Jacobs sie hatte. Tatsächlich sah es aus wie ein Handschuhfach für die Göttin Kali, in das auch gleich noch die eine oder andere Schädelgirlande passte.
    Ich beugte mich hinüber, öffnete die Klappe und tastete im Handschuhfach herum. Da war eine

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