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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Hausflur Stimmen hörte, und als ich einen Blick aus dem Treppenhausfenster warf, sah ich draußen am Bordstein einen schwarzen Mercury stehen. Da es mir klüger schien, den Amerikanern nicht über den Weg zu laufen, klopfte ich schnell an die Wohnungstür.
    Nach mehreren quälenden Sekunden öffnete ein Mann in Hosen und Unterhemd die Tür. Er war behaart. Extrem behaart. Selbst auf seinen Haaren schienen noch kleinere Härchen zu wachsen. Gegen ihn hätte Esau so glatt gewirkt wie eine Fensterscheibe. Ich hielt ihm die Karte des Inspektors hin und sah mich nervös um, weil die Schritte auf der Treppe jetzt näher kamen. «Entschuldigen Sie die Störung», sagte ich. «Dürfte ich vielleicht hereinkommen und Sie einen Augenblick sprechen?»

34
    Der Behaarte studierte Inspektor Strauss’ Karte eine halbe Ewigkeit, ehe er mich schließlich hereinbat. Ich ging an ihm vorbei und roch Essensdünste. Es roch nicht gut. Jemand hatte altes, verbrauchtes Fett benutzt, um irgendetwas zuzubereiten. Er schloss die Tür genau in dem Moment, als der Ami die Treppe heraufkommen und den Wohnungseingang im Blick haben musste. Erleichtert seufzte ich auf.
    Die Diele war, genau wie im Stockwerk darüber, so groß wie ein Busbahnhof. Neben der Tür standen ein silbernes Tablett für die Post und ein Schirmständer aus einem Elefantenfuß. Der Fuß hätte aber auch der dicken Frau gehört haben können, die jetzt in der Küchentür erschien. Sie trug eine Schürze und lehnte auf Krücken, da ihr ein Bein fehlte. «Wer ist da, Heini?», fragte sie.
    «Die Polizei, Schatz», sagte er.
    «Die Polizei?» Es klang überrascht. «Was wollen die denn?»
    Also hatte ich recht gehabt. Diese Leute hatten weder der Polizei am Deutschmeisterplatz noch sonst irgendeiner Polizeidienststelle etwas gemeldet.
    «Es tut mir sehr leid, dass ich Sie stören muss», sagte ich. «Aber in der Wohnung über Ihnen ist etwas vorgefallen.»
    «Vorgefallen? Was denn?»
    «Im Moment darf ich Ihnen leider noch nichts Genaueres sagen», sagte ich. «Ich muss nur wissen, wann Sie Frau Warzok zuletzt gesehen haben. Und ob da jemand bei ihr war. Oder ob Sie vielleicht irgendetwas Ungewöhnliches von oben gehört haben.»
    «Wir haben sie schon über eine Woche nicht mehr gesehen», sagte Heini und fuhr sich zerstreut mit den Fingern über die behaarten Arme. «Und auch da nur ganz kurz. Ich dachte, sie wäre verreist. Ihre Post ist noch unten im Kasten.»
    Die Frau hatte sich an den Krücken auf mich zumanövriert. «Wir haben nicht so viel mit ihr zu tun», sagte sie. «Man sagt sich guten Tag und auf Wiedersehen. Eine sehr stille Person.»
    «Wenn sie da ist, hören wir auch nie viel», sagte Heini. «Nur ihr Klavier, und auch das nur im Sommer, wenn das Fenster offen ist. Sie spielt wunderschön Klavier. Vor dem Krieg hat sie noch Konzerte gegeben. Als die Leute für so was noch Geld hatten.»
    «Jetzt kommen vor allem Kinder zu ihr, mit ihren Müttern», sagte Heinis Frau. «Sie gibt nämlich Klavierstunden.»
    «Sonst noch irgendjemand?»
    Beide schwiegen einen Moment.
    «Da war jemand, vor einer Woche etwa», sagte Heini. «Ein Ami.»
    «In Uniform?»
    «Nein», sagte Heini. «Aber man erkennt sie ja trotzdem, oder? An ihrem Gang. An den Schuhen. An der Frisur. An allem.»
    «Wie sah er aus?»
    «Gut gekleidet. Hübsches Sportsakko. Gutgebügelte Hosen. Nicht besonders groß. Nicht besonders klein. Durchschnitt, würde ich sagen. Brille. Goldene Uhr. Und ziemlich braun im Gesicht. Ach ja, und da war noch was, sein Auto stand draußen. Ein amerikanischer Wagen. Grün mit weißen Reifen.»
    «Danke», sagte ich und nahm die Karte des Inspektors wieder an mich. «Sie waren mir wirklich eine große Hilfe.»
    «Aber was ist denn passiert?», fragte Heinis Frau.
    «Wenn jemand fragt, ich habe es Ihnen nicht erzählt», sagte ich. «Ich dürfte eigentlich gar nichts sagen. Noch nicht. Aber Sie sind ja anständige Leute, das merkt man. Keine Leute, die gleich überall herumlaufen und so etwas brühwarm weitertratschen. Frau Warzok ist tot. Wahrscheinlich ermordet worden.»
    «Ermordet! Hier?» Sie schien schockiert. «In diesem Haus? In dieser Gegend?»
    «Ich habe schon mehr gesagt, als ich darf», erklärte ich. «Hören Sie, einer meiner Vorgesetzten wird später noch ausführlicher mit Ihnen drüber reden. Am besten, Sie tun dann so, als wüssten Sie noch nichts, ja? Es könnte mich sonst meine Stelle kosten.»
    Ich öffnete die Tür einen kleinen Spalt. Nirgends

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