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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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erschienen. Deshalb unterzog die IP den Laden ab und zu einer Razzia. Aber meistens erst wesentlich später, und da hoffte ich, längst weg zu sein. Ich setzte mich in eine Nische und orderte eine Flasche Cognac, Spiegeleier und ein Päckchen Luckys. Zuversichtlich, dass ich schon bald ein Bett für die Nacht gefunden haben würde, versuchte ich, allem, was an diesem Tag geschehen war, irgendeine Logik abzuringen. Überhaupt allem, was geschehen war, seit ich in Wien war. Und davor. Es war nicht leicht. Aber wie es aussah, war ich auf heimtückische Weise zum Hauptverdächtigen in zwei Mordfällen gemacht worden, höchstwahrscheinlich von der CIA. Der Amerikaner, den Frau Warzoks Nachbar beschrieben hatte, konnte nur Major Jacobs gewesen sein. Doch wer die Frau, die sich in München als Frau Warzok ausgegeben hatte, in Wirklichkeit war, blieb mir schleierhaft. Die echte Frau Warzok war tot, ermordet von Jacobs oder irgendeinem anderen CIA-Agenten. Wahrscheinlich hatte man mir ihre Adresse gegeben, damit mir der Mord in die Schuhe geschoben werden konnte. Aus dem gleichen Grund hatte mir auch Erich Grün die Adresse von Vera Messmann gegeben. Was bedeutete, dass er, Henkell und Jacobs alle unter einer Decke steckten. Unter welcher auch immer.
    Der Cognac und die Zigaretten kamen. Ich schenkte mir ein und zündete mir eine an. An der Bar hatten sich bereits ein paar interessierte Mädchen versammelt. Ich fragte mich, ob es unter ihnen wohl eine Hackordnung gab oder ob es lief wie an einem Taxistand und einfach die Vorderste zum Zug kommen würde. Die Kapelle stimmte jetzt «Be a Clown» an, was mir auch sehr passend erschien. Als Detektiv war ich eine Null, so viel stand fest. Detektive hatten zu merken, was gespielt wurde. Clowns hingegen waren leicht zu übertölpeln und hatten zur allgemeinen Belustigung auf alles hereinzufallen. Diese Rolle beherrschte ich perfekt. Inzwischen stritten zwei der Mädchen an der Bar. Ich nahm an, es ging darum, wer das zweifelhafte Vorrecht haben würde, mich abzuschleppen. Ich hoffte auf die Rothaarige. Sie sah aus, als hätte sie Feuer im Leib, und ein bisschen Leben um mich zu haben, war genau das, was ich jetzt dringend brauchte. Denn je länger ich über meine Lage nachdachte, desto mehr war mir danach, mir einfach das Gehirn wegzupusten. Hätte ich eine Pistole gehabt, hätte ich es ernsthafter erwogen. Aber so musste ich noch ein bisschen darüber nachdenken, wo ich mich befand und wie ich da hingeraten war.
    Wenn die falsche Britta Warzok von Anfang an mit Henkell, Grün und Jacobs im Bunde gewesen war, dann hatten sie mit einiger Wahrscheinlichkeit alle miteinander dafür gesorgt, dass ich meinen Finger verlor und bei Henkell im Krankenhaus landete. Schließlich hatten mich ja die Männer, die mich zusammengeschlagen hatten, am Ende dort abgeliefert. Und Henkell selbst hatte mich am Eingang gefunden. Das Taschentuch, das ich um den blutenden Fingerstumpf gewickelt hatte, war in der Nähe der ermordeten echten Britta Warzok aufgetaucht. Und meine Visitenkarte ebenfalls. Schlau gemacht. Und dass ich meinen halben kleinen Finger einbüßte, war unerlässlich gewesen. Das war mir jetzt klar. Sonst hätte man mich nie und nimmer für Erich Grün gehalten. Mir selbst war meine physische Ähnlichkeit mit Grün erst aufgefallen, nachdem er sich den Bart abrasiert hatte. Aber sie mussten es die ganze Zeit gewusst haben. Wahrscheinlich schon seit Jacobs damals in meinem Hotel in Dachau aufgetaucht war. Hatte er damals nicht gesagt, ich erinnere ihn an irgendjemanden? War ihm in dem Moment die Idee gekommen, mich für Erich Grün auszugeben? Damit der echte Erich Grün aus Deutschland verschwinden und fortan jemand anders sein konnte? Das würde natürlich viel eher gelingen, wenn ein Mann namens Erich Grün wegen Kriegsverbrechen in Haft saß. Was das für Kriegsverbrechen gewesen sein mochten? Ein Massaker an Kriegsgefangenen, oder noch Schlimmeres? Vielleicht ja etwas Medizinisches. Etwas so Abscheuliches, dass Jacobs wusste, die Ermittlungsorgane jedweder politischen Couleur würden nicht ruhen, ehe sie Erich Grün in sicherem Gewahrsam hatten. Kein Wunder, dass Leute wie Bekemeier und Elisabeth Grüns Hausbedienstete so verblüfft gewesen waren, dass ich mich in Wien blicken ließ. Und ich Idiot hatte mich auch noch freiwillig dafür angeboten. Im Nachhinein besehen war das der genialste Teil des ganzen Plans: wie sie mich dazu gebracht hatten, alles selbst zu initiieren. Mit etwas

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