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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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etwas für einen Freund von mir mit. Einem Mann, der dort eine lebenslange Haftstrafe wegen sogenannter Kriegsverbrechen verbüßt. Er bringt ihm medizinische Fachzeitschriften und dergleichen. Um der alten Zeiten willen.»
    «Gerhard Rose vermutlich», sagte ich. «Ihr Freund.»
    «Ja. Sie waren wirklich sehr fleißig. Ich habe Sie unterschätzt – jedenfalls in dieser Hinsicht. Das ist noch etwas, wofür mir das Geld meiner Mutter sehr zupass kommt, Bernie. Um die Berufung gegen dieses Urteil zu finanzieren. In fünf Jahren ist Rose wieder draußen. Sie werden sehen. Und Sie sollten es sich wünschen, es ist schließlich auch in Ihrem Interesse.»
    «Erich?», sagte ich. «Ich muss jetzt Schluss machen. Ich habe kein Münzgeld mehr. Aber ich werde Sie finden.»
    «Nein, Bernie. Wir werden uns nie wiedersehen. Nicht in diesem Leben.»
    «Dann eben in der Hölle.»
    «Ja. In der Hölle vielleicht. Leben Sie wohl, Bernie.»
    «Auf Wiedersehen, alter Freund. Auf Wiedersehen.»
    Ich legte auf, starrte auf meine neuen Stiefel und dachte über das nach, was ich gerade erfahren hatte. Vor Erleichterung hätte ich beinahe laut aufgeseufzt. Die ODESSA steckte hinter allem, was mir widerfahren war, nicht die Kameradschaft. Ich war zwar noch nicht aus dieser Wiener Falle heraus. Noch längst nicht. Aber wenn das stimmte, was mir Fritz Gebauer in Landsberg erzählt hatte, und die ODESSA und das Netzwerk der alten Kameraden wirklich nichts miteinander zu tun hatten, dann hatte ich nur die CIA und die ODESSA zu fürchten. Und nichts hielt mich davon ab, mich selbst an die Kameradschaft zu wenden. Ich würde meine alten SS-Kameraden bitten, mich aus Wien hinauszubringen. Ich würde mich dem Netz anvertrauen. Wie irgendeine gemeine Naziratte.

37
    Irgendwie schien es nur angemessen, dass die Ruprechtskirche am Ruprechtsplatz die Wiener Kontaktstelle für alte Kameraden war, die vor den Alliierten abtauchen wollten. Der Ruprechtsplatz liegt gleich südlich des Kanals und des Morzinplatzes, wo sich das Wiener Gestapohauptquartier befunden hatte. Vielleicht war die Kirche ja deshalb auserkoren worden. Ansonsten sprach wenig für sie. Es war die älteste Kirche Wiens und etwas baufällig, was, laut einem Schild an der Tür, ausnahmsweise einmal nicht die Folge alliierter Fliegerangriffe war, sondern von der nachlässigen Sprengung der Ruine eines Nachbarhauses herrührte. Drinnen war es so kalt wie in einem polnischen Kuhstall und auch ungefähr so schlicht. Selbst die Madonna sah wie eine Stallmagd aus. Dennoch hielt die Kirche für den ahnungslosen Besucher eine Überraschung bereit. Unter einem Seitenaltar lag, in einem Glassarg konserviert, das schwärzliche Skelett des heiligen Vitalis. Es sah aus, als ob Schneewittchen etwas zu lange hätte warten müssen, dass der Prinz kommt und sie aus ihrem todesähnlichen Schlaf erweckt.
    Pater Lajolo – der italienische Priester, den mir Pater Gotovina als Verbindungsmann der Kameradschaft genannt hatte – war fast so klapprig wie der heilige Vitalis und auch nicht viel besser erhalten. Dürr wie ein Kleiderbügel, hatte er Haare wie Stahlwolle. Er war ziemlich braun und hatte ein lückenhaftes Gebiss. In seiner langen, schwarzen Soutane sah er in meinen Augen ungemein italienisch aus, wie eine Gestalt in einer Massenszene von einem florentinischen Meister. Ich folgte ihm in eine Seitenapsis, und vor einem Altar übergab ich ihm eine Fahrkarte nach Pressbaum. Wie bei Pater Gotovina in München hatte ich alle Buchstaben des Zielorts bis auf das ss ausgestrichen.
    «Ich dachte, Sie könnten mir vielleicht eine katholische Kirche in Pressbaum empfehlen, Pater», sagte ich.
    Als Pater Lajolo meine Fahrkarte sah und mein sorgsam formuliertes Ansinnen hörte, zuckte er ein wenig zusammen, als wäre ihm diese Begegnung unangenehm, und einen Moment lang dachte ich, er würde mir erklären, er wisse überhaupt nichts über Pressbaum. «Möglich, dass ich Ihnen helfen kann, ja», sagte er mit einem italienischen Akzent, der fast so stark war wie der Kaffee- und Tabakdunst, den er verströmte. «Ich weiß nicht. Es kommt ganz darauf an. Kommen Sie mit.»
    Er führte mich in die Sakristei, wo es wärmer war als in der Kirche. Hier gab es ein Weihwasserbecken, einen Gasofen, einen Wandschrank mit diversen Messgewändern in den aktuellsten liturgischen Farben, ein Holzkruzifix an der Wand und, hinter einer offenen Tür, einen Waschraum. Er machte die Tür zu, durch die wir gekommen waren, und schloss

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