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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Sie mir am besten, was Sie veranlasst hat, hierherzukommen und mich um Hilfe zu bitten.»
    «Eigentlich war es meine eigene Dummheit, Pater», sagte ich und gab mich zerknirscht. «Vor einer Woche ist meine Mutter gestorben. Gestern war die Beerdigung. Auf dem Zentralfriedhof. Ich wusste, dass es riskant war, wieder nach Wien zu kommen, aber, na ja, man hat nun mal nur eine Mutter, oder? Außerdem dachte ich, es würde schon nichts passieren, wenn ich mich im Hintergrund hielt und möglichst nicht auffiel. Ich wusste gar nicht genau, ob die Alliierten mich wirklich suchten.»
    «Und Sie sind unter Ihrem richtigen Namen hierhergekommen?»
    «Ja.» Ich zuckte die Achseln. «Es ist schließlich alles über fünf Jahre her, und man liest ja dauernd in der Zeitung, es gäbe vielleicht bald ein Amnestiegesetz für … alte Kameraden.»
    «Ich fürchte nicht», sagte er. «Noch nicht zumindest.»
    «Na ja, jedenfalls hat sich herausgestellt, dass sie mich doch suchen. Nach der Beerdigung hat mich jemand erkannt. Ein Hausangestellter meiner Mutter. Er erklärte mir, wenn ich ihm nicht eine absurd hohe Summe zahlen würde, würde er den Behörden sagen, wo sie mich fänden. Ich dachte, ich hätte ihn erst mal hingehalten. Ich fuhr zu meinem Hotel, in der Absicht, meine Sachen zu holen und sofort nach Hause zu fahren, aber dort wartete schon die Internationale Patrouille auf mich. Seither laufe ich durch Wien. Halte mich in Bars und Kaffeehäusern auf. Weil ich fürchte, dass ich auch in kein anderes Hotel gehen kann. Gestern Abend war ich im Oriental und habe mich von einem Mädchen abschleppen lassen, bei dem ich dann die Nacht verbracht habe. Wobei da nichts war, wirklich nicht. Aber ich wusste nicht, wo ich sonst hätte hingehen können.»
    Er zuckte die Achseln, fast als hieße er meine Taktik gut. «Wo haben Sie denn bis jetzt gelebt? Ich meine, außerhalb von Wien.»
    «Garmisch-Partenkirchen», sagte ich. «Das ist ein ruhiges Städtchen. Dort beachtet einen niemand.»
    «Können Sie dorthin zurück?»
    «Nein», sagte ich. «Jetzt nicht mehr. Derjenige, der mich erkannt hat, kennt auch meinen Wohnort. Er wird bestimmt nicht zögern, die alliierten Behörden in Deutschland zu informieren.»
    «Und dieses Mädchen, bei dem Sie übernachtet haben?», sagte er. «Kann man ihm trauen?»
    «Solange ich dafür zahle, ja, ich glaube schon.»
    «Weiß Sie etwas über Sie? Irgendetwas?»
    «Nein. Nichts.»
    «Belassen Sie es dabei, bitte. Und sie weiß auch nicht, dass Sie heute hierherkommen wollten?»
    «Nein, natürlich nicht, Pater», sagte ich. «Das weiß niemand.»
    «Können Sie noch eine Nacht dort bleiben?»
    «Ja. Ich habe es sogar schon arrangiert.»
    «Gut», sagte er. «Ich brauche nämlich mindestens vierundzwanzig Stunden, um eine Möglichkeit zu organisieren, Sie aus Wien hinauszubringen, in ein sicheres Versteck. Ist das Ihr ganzes Gepäck?»
    «Jetzt schon. Alles andere ist im Hotel. Ich traue mich nicht, es zu holen.»
    «Nein, natürlich nicht», sagte er und nahm die Zigarette aus dem Mund. «Das wäre idiotisch. Kommen Sie morgen Nachmittag gegen vier wieder hierher. Abfahrtsbereit. Ziehen Sie warme Sachen an. Kaufen Sie sich welche, wenn Sie keine haben. Außerdem lassen Sie bitte bis morgen ein Foto von sich machen.» Er kritzelte eine Adresse in sein Notizbuch, riss das Blatt heraus und reichte es mir. «Da ist ein Fotograf in der Elisabethstraße, gegenüber vom Opernhaus. Fragen Sie nach Herrn Weyer. Siegfried Weyer. Er ist ein Freund von uns, und Sie können ihm restlos vertrauen. Sagen Sie, ich hätte Sie geschickt. Er weiß dann schon, was er zu tun hat. Ich habe Ihnen seine Nummer notiert, für den Fall, dass Ihnen irgendwas dazwischenkommt. B26425. Halten Sie sich von Bahnhöfen, Telegraphenämtern und Postämtern fern. Gehen Sie ins Kino. Oder ins Theater. Irgendwohin, wo es dunkel ist und wo viele Leute sind. Haben Sie Geld?»
    «Genug fürs Erste», sagte ich.
    «Gut. Eine Waffe?»
    Ich zögerte, etwas überrascht, dass mich ein Gottesmann so etwas fragte. «Nein.»
    «Es wäre jammerschade, wenn Sie doch noch geschnappt würden», sagte Pater Lajolo. «Zumal, wenn wir jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, um Sie aus Wien hinauszubekommen.» Er öffnete die Tür des Schranks mit den Messgewändern und entfernte das Vorhängeschloss von einem kleinen Schuhspind. In dem Schuhfach lagen mehrere Pistolen. Er nahm eine – eine hübsche Mauser –, zog mit seinen nikotingelben Fingern das

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