Das Janusprojekt
Ja.»
«Ich bin nicht der, für den Sie mich halten.»
«Vor drei Tagen waren Sie doch in Wien, oder?»
«Ja.»
«Jetzt kommen wir allmählich weiter. Beweisstück Nummer acht. Die beeidete Aussage des Herrn Tibor Medgyessi, ehemals Butler der Familie Grün in Wien. Auf Vorlage Ihres Fotos hin, des Fotos aus Ihrer SS-Akte, hat er Sie eindeutig als Erich Grün identifiziert. Ferner die Aussage des Empfangsportiers des Hotels Erzherzog Rainer. Dort haben Sie nach dem Tod Ihrer Mutter Elisabeth logiert. Auch er hat Sie als Erich Grün identifiziert. Es war dumm von Ihnen, zu dieser Beerdigung zu gehen, Grün. Dumm, aber verständlich.»
«Hören Sie, ich bin mit getürkten Beweisen hereingelegt worden», sagte ich. «Auf extrem raffinierte Art, von Major Jacobs. Der echte Erich Grün setzt sich heute Nacht aus Deutschland ab. Mit einem Flug, der von einem amerikanischen Militärflughafen abgeht. Grün soll für die CIA, für Jacobs und die amerikanische Regierung arbeiten, an der Entwicklung eines Malaria-Impfstoffs.»
«Major Jacobs ist ein sehr integerer Mann», sagte der Vernehmungsführer. «Ein Mann, der die Interessen des Staates Israel über die seines eigenen Landes stellt und dafür erhebliche Risiken auf sich nimmt.» Er lehnte sich zurück und zündete sich eine Zigarette an. «Hören Sie, geben Sie es doch einfach zu. Gestehen Sie die Verbrechen, die Sie in Majdanek und Dachau verübt haben. Gestehen Sie, was Sie getan haben, und Sie werden es leichter haben, das verspreche ich Ihnen.»
«Sie meinen, Sie werden es leichter haben. Ich heiße Bernhard Gunther.»
«Wie sind Sie zu diesem Namen gekommen?»
«Es ist meiner», insistierte ich.
«Der echte Bernhard Gunther ist tot», sagte er und reichte mir noch ein Schriftstück. «Das ist die Kopie seines Totenscheins. Er wurde von der ODESSA oder irgendeiner anderen Organisation ehemaliger SS-Angehöriger ermordet, in München, vor zwei Monaten. Vermutlich, damit Sie in seine Identität schlüpfen konnten.» Er hielt einen Moment inne. «Mit diesem meisterhaft gefälschten Pass.» Und er reichte mir meinen eigenen Pass, den ich bei meiner Wienreise in Haus Mönch zurückgelassen hatte.
«Der ist nicht gefälscht», sagte ich. «Der ist echt. Der andere ist falsch.» Ich schüttelte seufzend den Kopf. «Aber wen interessiert das noch, wenn ich tot bin? Sie bringen den Falschen um. Wäre allerdings nicht das erste Mal, dass Sie die falsche Person erwischen. Vera Messmann war nicht die Kriegsverbrecherin, für die Jacobs sie ausgegeben hat. Aber ich kann sogar beweisen, wer ich bin. Vor zwölf Jahren, in Palästina …»
«Du Scheißkerl», brüllte der Große mit den Segelohren. «Du Scheißmörder.» Er stürzte auf mich zu und schlug mit etwas Hartem in der Faust auf mich ein. Der Jüngere wollte ihn vielleicht noch bremsen, aber es gelang ihm nicht. Er war nicht der Typ, der sich von irgendetwas bremsen ließ außer vielleicht von einem schweren MG. Der Hieb warf mich vom Stuhl. Mir war, als hätte ich einen Fünfzigtausend-Volt-Schlag gekriegt. Mein ganzer Körper kribbelte, nur mein Kopf nicht, der fühlte sich an, als hätte jemand ein dickes, feuchtes Handtuch darum gewickelt. Ich sah und hörte nichts mehr. Meine eigene Stimme klang erstickt. Dann wurde mir noch ein Handtuch um den Kopf geschlungen, und da war nichts mehr als Stille und Dunkel und ein fliegender Teppich, der mich auffing und mit mir an einen Ort entschwebte, den es nicht gab. Und es war ein Ort, wo sich Bernie Gunther – der echte Bernie Gunther – aufs wunderbarste zu Hause fühlte.
41
Alles war weiß. Ausgestoßen aus der Glückseligkeit, aber von aller Sünde gereinigt, lag ich an einem Zwischenort und wartete, dass irgendeine Entscheidung fiel, was mit mir passieren sollte. Ich hoffte, sie würden sich mit der Entscheidung beeilen, denn es war kalt. Kalt und nass. Da war keinerlei Geräusch, genau wie es sich gehörte. Der Tod ist geräuschlos. Aber wärmer hatte ich ihn mir vorgestellt. Komischerweise fühlte sich meine eine Gesichtshälfte wesentlich kälter an als die andere, und einen schrecklichen Moment lang dachte ich schon, die Entscheidung über mich sei bereits gefallen und ich sei in der Hölle. Ein kleines Wölkchen driftete immer wieder um meinen Kopf, als ob es mir unbedingt etwas mitteilen wollte, und es dauerte noch ein paar Augenblicke, bis ich begriff, dass es mein eigener Atem war. Meine irdische Qual war noch nicht vorüber. Langsam hob ich den
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