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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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die Tür. «Bis die Jungs hier eintreffen, sind wir längst auf dem Weg zum Flughafen. Heute um Mitternacht werden Grün und Henkell nebst Gattinnen in ein neues Leben in Amerika starten. Und Sie werden irgendwo bäuchlings in der Erde liegen, notdürftig verscharrt.»
    Ich sagte nichts. Es gab nichts mehr zu sagen. Jedenfalls nicht zu ihm. Ich hoffte, dass die Israelis aus Linz gut Deutsch konnten.

40
    Ich hörte Jacobs noch eine Weile über mir herumlaufen, dann wurde es still. Ich stand auf und trat gegen die Tür, was zwar nicht schlecht war, um ein bisschen von meiner Wut und Frustration abzubauen, ansonsten aber nichts nützte. Die Tür war aus Eichenholz. Ich hätte den ganzen Tag auf sie eintreten können, ohne ihr auch nur eine Schramme zuzufügen. Ich sah mich nach irgendeiner Art Werkzeug um.
    Der Keller hatte kein Fenster und keine andere Tür. Da war ein warmer Heizkörper. Boden und Wände waren aus Beton. In einer Ecke waren ein paar alte Küchenbestandteile gestapelt, und ich schloss daraus, dass das Labor oben früher mal eine Küche gewesen war. Ferner waren da mehrere Paar Ski, Skistiefel und -stöcke, ein alter Rodelschlitten, diverse Schlittschuhe und ein Fahrrad ohne Reifen. Ich probierte, einen Ski als eine Art Lanze zu verwenden, und befand, dass er eine ganz brauchbare Waffe abgeben würde, falls die Israelis nur mit der Kraft des Herrn bewehrt waren. Wenn sie Pistolen hatten, würde ich schlecht dastehen. Aus dem gleichen Grund verwarf ich auch die Idee, eine Schlittschuhkufe als Hiebwaffe zu verwenden.
    Außer Müll und altem Krempel war da noch ein kleines Weinregal mit ein paar verstaubten Flaschen Riesling. Ich schlug einer den Hals ab und trank ohne großen Genuss. Es gibt nichts Schlimmeres als warmen Riesling. Inzwischen war mir selbst ganz schön warm. Ich zog Mantel und Jackett aus, rauchte eine Zigarette und wandte mich dann mehreren größeren Paketen zu, die zu beiden Seiten des Heizkörpers lagerten. Sie waren allesamt an Major Jacobs adressiert und trugen die Aufschrift «U. S. Regierung. Eilige Laborproben.» Auf einem anderen Aufkleber stand: «Höchste Vorsicht geboten. Nicht werfen. Warm lagern. Infektionsgefahr. Enthält lebende Insekten. Nur durch fachkundigen Entomologen zu öffnen.»
    Ich bezweifelte, dass ein israelisches Rachekommando sich von ein paar Moskitogeschwadern davon abhalten lassen würde, mich zu töten, riss aber dennoch das Packpapier von einem Paket und öffnete den Karton. In dem Karton war eine Menge Stroh, und mitten im Stroh ein praktisches Reise-Insektarium für Grüns und Henkells kleine Freunde. Beigefügt war ein Verzeichnis des Inhalts, erstellt von jemandem vom Komitee für medizinische Forschung des Verteidigungsministeriums in Washington. Da stand: «Insektarium enthält lebende und konservierte Eier, Larven, Puppen sowie adulte männliche und weibliche Exemplare der Gattungen Anopheles und Culex. Lebendexemplare sowie -eier befinden sich in Moskitokäfigen. Insektarium enthält ferner Ansaugröhrchen zur Moskitoentnahme sowie Blutnahrung, ausreichend für bis zu dreißig Tage.»
    Zwei weitere Pakete bargen ähnliche Lebendinsektarien. Ein viertes enthielt «Sezier- und Verbundmikroskope, Pinzetten, Präparatträger, Deckplättchen, Tropfer, Petrischalen, Pyrethrin, Pipetten, Bioessay-Sets, insektizidfreie Gaze sowie Chloroform». Diese letzte Angabe ließ mich kurz abwägen, ob es mir gelingen könnte, einen der Israelis zu chloroformieren. Aber ich landete wieder bei der Einsicht, dass es nicht so leicht ist, einen Mann anzugreifen, der eine Pistole auf einen richtet.
    Zwei Stunden vergingen. Ich trank noch etwas von dem warmen Wein und legte mich auf den Fußboden. Was konnte ich schon anderes tun als schlafen? Und dafür zumindest war der Riesling fast so gut wie Chloroform.
    Bald darauf weckten mich Schritte über mir. Ich setzte mich auf. Mir war ein bisschen übel, was weniger am Riesling lag als an der Angst vor dem, was auf mich zukam. Wenn ich es nicht schaffte, diese Männer davon zu überzeugen, dass ich nicht Erich Grün war, würde ich zweifellos sterben müssen, und zwar so, wie Jacobs es geschildert hatte.
    Eine knappe halbe Stunde passierte gar nichts. Ich hörte, wie Möbel gerückt wurden, und roch Zigarettenrauch. Ich hörte sogar Gelächter. Dann waren da schwere Schritte auf der Treppe, das Geräusch des Schlüssels im Schloss. Ich stand auf, zog mich weiter in den Keller zurück und versuchte, nicht daran zu denken,

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