Das Janusprojekt
nachplapperte. Augenscheinlich waren meine Bemühungen im Auftrag Erich Kaufmanns vergeblich gewesen.
Friedrich Korsch war zu meiner Zeit am Alex, 1938/39, ein junger Kriminalassistent gewesen. Ich hatte ihn fast zehn Jahre nicht gesehen, bis ich ihm dann im letzten Dezember zufällig begegnet war, als er gerade aus dem Bierkeller in der Rosenstraße kam. Er hatte sich kein bisschen verändert, bis auf die lederne Augenklappe. Mit seinem langen Kinn und dem Douglas-Fairbanks-Bärtchen sah er wie ein draufgängerischer Freibeuter aus, was vielleicht für einen Journalisten bei einer amerikanischen Zeitung nicht das Schlechteste war.
Wir gingen in die Osteria Bavaria – einst eins von Hitlers Lieblingsrestaurants –, und während wir den alten Zeiten nachhingen und aufzählten, wer tot war und wer noch lebte, stritten wir uns zwischendurch, wer die Rechnung übernehmen würde. Doch als ich ihm irgendwann erzählte, dass ich Weihbischof Neuhäuslers Quelle im Gefängnis Landsberg für einen miesen Lügner hielt, hatte Korsch die Bezahlungsfrage entschieden. «Für so eine Story spendiert die Zeitung das Mittagessen», sagte er.
«Schade», sagte ich. «Ich hatte gehofft, Sie könnten mir im Gegenzug mit ein paar Informationen weiterhelfen. Ich suche einen Kriegsverbrecher.»
«Wer tut das nicht?»
«Einen gewissen Friedrich Warzok.»
«Nie gehört.»
«Er war zuletzt Kommandant eines Arbeitslagers in der Nähe des Gettos von Lwow. Lemberg-Janowska.»
«Klingt eher wie eine Käsesorte. Aber Spaß beiseite, das ist eine elende Gegend», sagte Korsch. «Da unten habe ich mein Auge verloren.»
«Wie macht man das, Korsch? Wie fängt man es an, so einen Mann zu finden?»
«Worum geht es denn?»
«Seine Frau hat mich engagiert. Sie will wieder heiraten.»
«Kann sie ihn nicht von der Wehrmacht-Dienststelle für tot erklären lassen? Die sind dort ziemlich zuvorkommend. Selbst bei ehemaligen SS-Angehörigen.»
«Er wurde noch im März ’46 lebend gesehen.»
«Sie wollen also wissen, ob es da irgendwelche Untersuchungen gab?»
«So ist es.»
«Sämtliche Kriegsverbrechen, die unsere alten Kameraden und Vorgesetzten verübt haben, werden derzeit von den Alliierten untersucht. Auch wenn es Andeutungen gibt, dass das in Zukunft die Bundesanwaltschaft übernehmen wird. Aber im Moment wäre wohl der erste Ansatzpunkt das Zentralregister der Kriegsverbrecher und sicherheitsgefährdenden Personen vom alliierten Hauptquartier. Die sogenannten CROWCASS-Listen. Davon gibt es etwa vierzig. Aber die sind nicht öffentlich zugänglich. Verantwortlich für die Untersuchungen ist momentan das Direktorat für juristische Angelegenheiten, das sich mit Verbrechen auf allen Kriegsschauplätzen befasst. Und dann ist da die CIA. Die haben auch eine Art Zentralregister. Aber ich fürchte, weder das Direktorat noch die CIA lassen da Privatpersonen wie Sie ohne weiteres dran. Aber natürlich gibt es auch noch das amerikanische Dokumentensammellager in Westberlin. Ich glaube, dort können Privatpersonen Dokumente einsehen. Aber nur mit General Clays Genehmigung.»
«Nein, danke», sagte ich. «Die Blockade mag ja vorbei sein, aber von Berlin will ich mich möglichst fernhalten. Wegen der Russen. Ich musste Wien verlassen, um einem russischen Geheimdienstoberst zu entkommen, der mich unbedingt für den MWD anwerben wollte – oder wie auch immer sich die sowjetische Geheimpolizei heutzutage nennt.»
«Sie nennt sich MWD», sagte Korsch. «Na ja, wenn Sie nicht nach Berlin wollen, gibt es ja noch das Rote Kreuz. Die betreiben einen internationalen Suchdienst. Der ist zwar für Kriegsverschollene, aber vielleicht wissen sie ja trotzdem was. Und dann sind da noch die jüdischen Organisationen. Die Brichah zum Beispiel. Die war ursprünglich dazu da, jüdische Flüchtlinge über die Grenzen zu schmuggeln, aber seit der Gründung des Staates Israel widmet sie sich vor allem der Jagd auf ehemalige SS-Leute. Sie vertrauen wohl nicht drauf, dass die Deutschen oder die Alliierten das erledigen. Kann man ihnen nicht verdenken. Ach ja, und dann ist da noch so ein Bursche in Linz, der sich auf eigene Faust als Nazijäger betätigt, mit privaten amerikanischen Geldern. Ein gewisser Wiesenthal.»
Ich schüttelte den Kopf. «Ich glaube nicht, dass ich irgendwelche jüdischen Organisationen bemühen werde», sagte ich. «Nicht mit meinem Hintergrund.»
«Ist vermutlich auch klüger», sagte Korsch. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass Juden
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