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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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ihr, so zu tun, als hätte sie seinen Namen schon wieder vergessen, wo er ihn doch gerade erst genannt hatte. Ich schwieg und wartete ab, wie es weitergehen würde.
    Als wäre er Luft, sah Britta Warzok jetzt mich an und fragte: «Wovon sprachen wir gerade, Bernie?»
    Es kam mir komisch vor, dass sie just diesen Moment wählte, um mich erstmals beim Vornamen zu nennen. Ich sah sie nicht an, sondern ließ den Blick weiter auf Klingerhoefer ruhen, in der Hoffnung, es würde ihn ermutigen, noch mehr zu sagen. Ich glaube, ich lächelte ihn sogar an, damit er bloß nicht auf die Idee kam, ich könnte grob zu ihm werden. Aber er war gestrandet wie ein Hund auf einer Eisscholle. Mit einer neuerlichen Verbeugung murmelte er eine Entschuldigung und ging wieder an seinen eigenen Tisch, wobei sein Gesicht die Farbe seines merkwürdigen Anzugs annahm.
    «Ich glaube, ich habe Ihnen gerade von den seltsamen Leuten erzählt, mit denen mich mein Beruf manchmal zusammenführt», sagte ich.
    «Ja, allerdings, nicht wahr?», flüsterte sie und sah nervös in Klingerhoefers Richtung. «Ehrlich. Ich habe keine Ahnung, wie in aller Welt er auf die Idee kommt, wir würden uns kennen. Ich habe ihn noch nie gesehen.»
    Ehrlich. Ich liebe es, wenn Kunden so reden. Vor allem Kundinnen. All meine Zweifel an ihrer Wahrhaftigkeit waren natürlich auf der Stelle wie weggeblasen.
    «Mit diesem Anzug hätte ich ihn doch wohl kaum vergessen», sagte sie etwas redundant.
    «Nein», sagte ich und sah zu dem Mann hinüber, «ganz bestimmt nicht.»
    Sie öffnete ihre Handtasche, entnahm ihr einen Umschlag und reichte ihn mir. «Ich hatte Ihnen eine Prämie versprochen», sagte sie. «Hier ist sie.»
    Ich warf einen Blick in den Umschlag und sah ein paar Geldscheine. Es waren zehn Stück, und alle waren rot. Es waren keine fünftausend Mark. Aber es war immer noch mehr als großzügig. Zu großzügig, wie ich ihr sagte. «Schließlich hilft das, was ich gefunden habe, Ihrem Anliegen nicht viel weiter.»
    «Im Gegenteil», sagte sie. «Es hilft mir sehr.» Sie tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn. «Hier drinnen. Selbst wenn es meinem Anliegen nicht hilft, wie Sie es ausdrücken. Sie haben ja keine Ahnung, welche Last mir das von der Seele nimmt. Zu wissen, dass er nicht mehr zurückkommt.» Und sie nahm meine Hand und drückte sie, augenscheinlich aus echter Dankbarkeit. «Danke, Herr Gunther. Vielen, vielen Dank.»
    «Es war mir ein Vergnügen», sagte ich.
    Ich steckte den Umschlag in meine Innentasche und knöpfte diese sicherheitshalber zu. Es gefiel mir, wie sie meine Hand gedrückt hatte. Und die Prämie gefiel mir auch. Und auch die Tatsache, dass sie sie mir in Hundertmarkscheinen gegeben hatte. Hübschen neuen Hundertern mit der Frau mit dem Buch vor dem Globus. Mir gefielen sogar ihr Hut und die drei Narben auf ihrem Gesicht. Mir gefiel so ziemlich alles an ihr, außer der kleinen Pistole in ihrer Handtasche.
    Frauen mit Pistolen missfallen mir fast so sehr wie Männer mit Pistolen. Die Waffe und der kleine Zwischenfall mit Herrn Klingerhoefer – mal ganz abgesehen von der Art und Weise, wie sie meinen Besuch bei sich zu Hause abgewimmelt hatte – brachten mich zu der Überzeugung, dass da mehr an Britta Warzok war, als das Auge sah. Und da das, was das Auge sah, Ähnlichkeit mit Kleopatra hatte, spürte ich plötzlich einen Krampf in einem Muskel, der auf der Stelle betätigt sein wollte.
    «Sie sind ganz schön streng katholisch, Frau Warzok», sagte ich. «Stimmt’s?»
    «Leider ja. Warum fragen Sie?»
    «Nur, weil ich mit einem Priester über Ihr Problem gesprochen habe und er meinte, Sie sollten den guten alten Jesuitentrick der Äquivokation anwenden», sagte ich. «Was auf gut Deutsch heißt, das eine zu denken und das andere zu sagen, zu einem guten Zweck natürlich. Offenbar ist das etwas, was der Gründer des Jesuitenordens, Ulrich Zwingli, empfohlen hat. Laut dem Priester, mit dem ich gesprochen habe, schreibt Zwingli darüber in einem Werk namens Exerzitien . Vielleicht sollten Sie’s mal lesen. Zwingli sagt, die größere Sünde als die Lüge selbst sei das Übel, das daraus folgt, wenn man nicht lügt. Also in diesem Fall, dass Sie eine gutaussehende junge Frau sind, die heiraten und eine Familie gründen möchte, es aber nicht kann. Besagter Priester meint, wenn Sie vergäßen, dass Sie Ihren Mann im Frühjahr ’46 lebend gesehen haben, bräuchten Sie nur die Wehrmacht-Dienststelle davon zu überzeugen, ihn für tot

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