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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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erinnert gefühlt, wahrscheinlich, weil dort vier entfernt klassisch anmutende Statuen stehen. Durch die Bombenruine des Völkerkundemuseums war das Forum-Romanum-Flair jetzt ausgeprägter denn je auf der rechten Seite Richtung Isar. Und aus dieser Richtung kam der Erste. Gebaut wie ein Wachturm und angetan mit einem zerknitterten, beigefarbenen Leinenanzug, mäanderte er auf mich zu, die Arme ausgebreitet wie ein Hirte, der versucht, seine Schafe einzufangen.
    Da ich von niemandem eingefangen werden wollte, und schon gar nicht von einem solchen Schrank, wandte ich mich sofort nach Norden, Richtung St. Anna, musste aber feststellen, dass mir aus der Seitzstraße ein zweiter Mann entgegenkam. Er trug einen Ledermantel, eine Melone und in der Hand einen Spazierstock. Da war etwas an seinem Gesicht, was mir gar nicht gefiel. Es war vor allem das Gesicht selbst. Seine Augen hatten die Farbe von Beton, und sein Lächeln war so freundlich wie ein Stück Stacheldraht. Beide Männer rannten los, als ich blitzartig kehrtmachte und die Maximilianstraße wieder hinaufspurtete, direkt auf einen dritten Mann zu, der von der Ecke Herzog-Rudolf-Straße auf mich zukam. Auch er sah nicht aus, als sammelte er für wohltätige Zwecke.
    Ich griff etwa fünf Sekunden zu spät nach der Pistole in meiner Tasche. Ich hatte mich nicht an Stubers Rat gehalten, immer eine Patrone im Lauf zu haben, und hätte erst den Schlitten betätigen müssen, um eine aus dem Schacht einzuziehen. Aber wahrscheinlich hätte es sowieso nichts geändert. Kaum hielt ich die Pistole in der Hand, hatte der Mann mit dem Stock mich auch schon eingeholt und drosch mir aufs Handgelenk. Im ersten Moment dachte ich, er hätte mir den Arm gebrochen. Das Pistölchen klackerte auf den Gehweg, und ich wäre um ein Haar ebenfalls zu Boden gegangen, so höllisch war der Schmerz in meinem Unterarm. Aber zum Glück habe ich ja zwei Arme, also rammte ich ihm den anderen Ellbogen in die Magengrube. Es war ein solider Stoß und gut genug gezielt, dass dem Mann hörbar Luft entwich.
    Die anderen beiden waren jetzt ebenfalls da. Ich hob die Fäuste, ging in Stellung, verpasste dem einen eine gerade Linke ins Gesicht und landete einen ordentlichen rechten Haken auf dem Kinn des anderen. Ich fühlte, wie sein Kopf unter meinen Knöcheln seitlich wegrutschte und schaffte es gerade noch, einer Faust von der Größe eines kleineren Alpenmassivs auszuweichen. Aber es nützte nichts. Der Spazierstock traf mich mit Wucht auf die Schultern, und meine Arme fielen herab wie die eines Schlagzeugers. Einer zerrte mir die Jacke so über die Schultern herunter, dass ich die Hände nicht mehr bewegen konnte, und dann versetzte mir der andere einen Fausthieb in die Magengrube, der bis zur Wirbelsäule durchdrang. Ich ging in die Knie und kotzte die Überreste meines Cocktailzwiebelmahls auf die kleine Beretta.
    «Oh, guckt euch mal sein Pistölchen an», sagte einer meiner neuen Freunde und kickte die Knarre weg, für den Fall, dass ich dumm genug war, sie aufheben zu wollen. Was ich nicht war.
    «Helft ihm hoch», sagte der mit der Melone.
    Der Bulligste packte mich am Jackettkragen und zerrte mich in eine Position empor, die mit Stehen nur vage Ähnlichkeit hatte. Ich hing in seinem Griff wie jemand, dem Kleingeld heruntergefallen ist, und der Hut rutschte mir langsam vom Kopf. Mit quietschenden Reifen hielt ein dicker Wagen neben uns. Jemand war so aufmerksam, meinen Hut aufzufangen, als er mir endgültig vom Kopf fiel. Dann hakte der, der mich am Schlafittchen hielt, die Finger unter meinen Gürtel und beförderte mich zum Bordstein. Gegenwehr schien ziemlich sinnlos. Diese Kerle wussten, was sie taten, das merkte man. Sie bildeten jetzt ein effizientes kleines Team. Einer öffnete die Wagentür und warf meinen Hut auf den Rücksitz, einer wuchtete mich durch die Gegend wie einen Sack Kartoffeln, und einer stand mit dem Stock bereit, für den Fall, dass ich doch keine Lust auf unseren kleinen Picknickausflug hatte. Von nahem hatten wir etwas von einem Hieronymus-Bosch-Gemälde – mein bleiches, gefügiges, schweißüberströmtes Gesicht, umgeben von einer Trias aus Dummheit, Bestialität und Hass. Boxernasen. Zahnlücken. Tückisch blickende Augen. Bartschatten. Bierdunst. Nikotinfinger. Aggressiv gereckte Kinne. Und noch mehr Bierdunst. Sie hatten ganz schön getankt, bevor sie zu dem Treffen mit mir erschienen waren. Es war, wie von einer bayrischen Bierbrauerzunft entführt zu

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