Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
Vom Netzwerk:
Schmerz zuzufügen.
    Ich fiel seitlich um und lag jetzt zu seinen Füßen. Falls ich aber geglaubt hatte, er würde zu faul sein, sich zu bücken und weiter auf mich einzudreschen, war das ein Irrtum. Er zog die Jacke aus und reichte sie dem Mann mit der Melone. Dann machte er weiter. Er schlug mich auf die Knie, die Fußknöchel, die Rippen, aufs Gesäß und auf die Schienbeine. Bei jedem Hieb klang der Totschläger, als ob jemand einen Teppich klopfte. Während ich still betete, dass es bald vorbei sein würde, hörte ich jemanden fluchen, als wäre die Brutalität der Schläge von außen betrachtet beeindruckend, und es dauerte noch ein paar qualvolle Sekunden, bis ich merkte, dass ich es war, der die Kraftausdrücke von sich gab. Ich war schon öfter verprügelt worden, aber noch nie so gründlich. Und dass ich es in voller Länge mitbekam, lag wohl nur daran, dass er es vermied, das Gesicht oder den Kopf zu treffen, weil mir das womöglich die Gnade der Bewusstlosigkeit gewährt hätte. Am schlimmsten war, als er anfing, die Prozedur zu wiederholen – alles war ein einziger Schmerz. Da fing ich an zu schreien, wütend auf mich selbst, weil ich es einfach nicht schaffte, das Bewusstsein zu verlieren und der Qual zu entkommen.
    «Das reicht vorerst», sagte der General schließlich.
    Der Mann mit dem Totschläger trat zurück. Er atmete schwer und wischte sich mit dem Ärmel die Stirn.
    Da lachte der Mann mit der Melone, reichte ihm seine Jacke und sagte: «So schwer hast du die ganze Woche noch nicht gearbeitet, Albert.»
    Ich lag ganz still. Ich fühlte mich, wie wegen Ehebruchs gesteinigt, ohne wenigstens die Erinnerung an den Seitensprung als Trost zu haben. Jede Stelle an mir schmerzte. Und das alles für tausend Mark. Ich hatte zehn rote Lappen, und dafür würde ich grün und blau sein, wenn ich morgen in den Spiegel schaute. Vorausgesetzt, ich würde mich je wieder trauen, in den Spiegel zu schauen. Aber sie waren noch nicht fertig mit mir.
    «Hebt ihn auf», sagte der General. «Und bringt ihn hier herüber.»
    Witze reißend schleiften sie mich neben ein Bierfass. Auf dem Fass lagen ein Hammer und ein Meißel. Diese Werkzeuge gefielen mir gar nicht. Und noch weniger gefiel mir, dass der Hüne beides in die Hand nahm, als wollte er die Arbeit an einer Skulptur aufnehmen. Ich hatte das schreckliche Gefühl, dass ich der Marmorblock war, den sich dieser hässliche Michelangelo auserkoren hatte. Sie schoben mich mit dem Rücken gegen das Fass und legten eine meiner gefesselten Hände flach auf das hölzerne Rund. Ich wehrte mich mit dem letzten bisschen Kraft, das mir noch verblieben war, und sie lachten.
    «Schneidiger Bursche, was?», sagte der Hüne.
    «Ein wahrer Kämpfer», pflichtete ihm der mit dem Totschläger bei.
    «Mund halten, alle miteinander», sagte der General. Dann fasste er mich am Ohr und verdrehte es schmerzhaft. «Hören Sie zu, Gunther», sagte er. «Hören Sie mir gut zu.» Seine Stimme war fast schon sanft. «Sie haben Ihre Wurstfinger in Dinge gesteckt, die Sie nichts angehen. So wie dieser dumme kleine Holländerjunge, der seinen Finger in das Loch im Deich gesteckt hat. Wissen Sie was? Niemand erzählt je die ganze Geschichte. Was aus ihm geworden ist. Und vor allem, was aus seinem Finger geworden ist. Wissen Sie, was aus seinem Finger geworden ist, Herr Gunther?»
    Ich schrie laut, als jemand meine Hand packte und flach auf das Fass drückte. Dann schoben sie etwas, das sich anfühlte wie der Hals einer Bierflasche, zwischen meinen kleinen Finger und die übrigen. Als Nächstes fühlte ich die scharfe Schneide des Meißels auf dem Gelenk, und für einen Moment vergaß ich allen Schmerz in meinem übrigen Körper. Die mächtigen Hände, die mich hielten, spannten sich vor freudiger Erregung an. Ich spuckte Blut und antwortete dem General. «Die Botschaft ist angekommen, in Ordnung?», sagte ich. «Ich bin für alle Zeiten gewarnt.»
    «Da bin ich mir nicht sicher», sagte der General. «Wissen Sie, eine Warnung wirkt nur dann, wenn sie durch einen Vorgeschmack auf die möglichen Konsequenzen verstärkt wird. Durch eine einschneidende kleine Demonstration dessen, was Ihnen widerfahren könnte, wenn Sie Ihre Finger jemals wieder in unsere Angelegenheiten stecken. Meine Herren, zeigen Sie ihm, was ich meine.»
    Etwas Aufblitzendes fuhr durch die Luft und sauste dann auf den Meißelgriff herab. Eine Sekunde lang war da ein unbeschreiblicher Schmerz, dann wälzte sich dichter Nebel von

Weitere Kostenlose Bücher