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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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auf sein Personengedächtnis verlassen, und es irritierte ihn, daß es ihn diesmal im Stich zu lassen schien. Begegnet war er ihm noch nie, daran hätte er sich erinnert. Er hatte dieses Gesicht irgendwo abgebildet gesehen. Egal, dachte er, als der Wagen anfuhr. Es würde ihm irgendwann einfallen, wenn es wichtig war.
    Peter Eisenhardt nickte zu allem, was ihm der Professor in jenem behäbigen, unweigerlich blasiert und hochnäsig wirkenden Englisch der britischen Oberklasse erklärte. Manche Ausdrücke verstand er nicht so recht, sein Englisch war reichlich eingerostet inzwischen! Eine Ausgrabungsstätte war das hier also. Darum sah wohl alles so vorläufig und unordentlich aus. Eisenhardt hatte zuerst an ein Trainingscamp irgendwelcher Rebellenmilizen gedacht, dann an Außendreharbeiten eines Spielfilms.
    Die Fahrt war enorm irritierend gewesen. Sie waren auf der Straße von Tel Aviv nach Jerusalem unterwegs gewesen, als der Fahrer urplötzlich, an einer völlig unscheinbaren Einmündung, während hinten ein Sportwagen drängelte und hupte und ihnen auf der Gegenfahrbahn ein Tanklastzug entgegengedonnert kam, abbog auf eine Katastrophe von Schotterpiste, die über Kilometer hinweg ins Niemandsland zu führen schien. Und während sie so dahinrüttelten und der alte Mann leise auf polnisch etwas vor sich hinmurmelte, das wie Flüche und Verwünschungen klang, wuchsen in Eisenhardts Vorstellung die wildesten Phantasien. Von Räubern und Wegelagerern und Strauchdieben, von einem üblen Komplott, und ihm fiel siedendheiß ein, daß er keinerlei Adresse hatte zurücklassen können, weil niemand gewußt hatte, wohin in Israel ihn dieser sagenhafte John Kaun eigentlich bestellt hatte. Er sah sich schon elend im Straßengraben liegen, ermordet und ausgeraubt, womöglich die Schreibhand abgehackt, weil er in einem seiner Bücher versehentlich etwas geschrieben hatte, das ihm irgendeine fanatische Religionsgemeinschaft als böswillige Gotteslästerung ankreidete. Und Uri Liebermann würde herbeieilen, seine handliche Mobiltelefon-PC-Kombination zücken und die nächste Schlagzeile, den nächsten Bericht eintippen. Der dann vermutlich schon in der Morgenausgabe erscheinen würde.
    Irgendwann, als die Straße schon weit zurücklag und ringsum nur noch flache, steinübersäte Berge zu sehen waren, fügte er sich schließlich in sein Schicksal, wagte es, wieder zu atmen und die angespannten Schultern sinken zu lassen. Der alte Mann sah eigentlich nicht aus wie ein Fanatiker, wenn er es recht bedachte. Er schien sich hauptsächlich darüber Sorgen zu machen, wie sein Taxi die Fahrt über die schlaglochreiche Strecke überstehen würde.
    Dann waren sie noch einmal abgebogen und auf das Lager zugefahren, dessen Zelte und Fahrzeuge in der sinkenden Sonne lange, wunderliche Schatten warfen.
    Gerade als der Professor von den freiwilligen Ausgrabungshelfern sprach und der Rolle, die sie für die Archäologie in Israel spielten, stiegen zwei davon, ein Junge und ein Mäd-chen, in das weiße Auto, das irgendwann hinter ihnen aufgetaucht und immer näher herangekommen war. Was die Phantasie des Schriftstellers natürlich noch einmal angeheizt hatte. Der junge Mann schaute neugierig zu ihnen herüber, als sie losfuhren.
    »Bei aller wissenschaftlichen Neugier und allem Engagement«, kommentierte der weißhaarige Archäologe,»bleiben es natürlich junge Leute. Ich nehme an, sie fahren nach Tel Aviv in eine der Diskotheken.«
    Eisenhardt nickte verstehend. Obwohl er auf die Vierzig zuging, kam es ihm noch immer befremdlich vor, von anderen als»jungen Leuten«zu sprechen in einem Ton, als gehöre er selber nicht mehr dazu.
    John Kaun, der sich nach der ersten Begrüßung kurz zurückgezogen hatte, um einem Mitarbeiter sotto voce eine Reihe von Anweisungen zu erteilen, stieß wieder zu ihnen, seine Selbstsicherheit wie eine Bugwelle vor sich herschiebend. Er war nicht der Mann, irgendwo danebenzustehen und zuzuhören, das war unmißverständlich. Wem immer er sich zuwandte, mußte ihn als den Mittelpunkt des Gesprächs akzeptieren, oder er machte sich einen Feind. Einen mächtigen, gefährlichen Feind. DasAuftreten des Medienmagnaten war mehr als selbstsicher, es war auf eine Weise aggressiv, die klarmachte, daß dieser Mann die Welt erobern wollte, mehr noch, erobern würde. Eisenhardt begriff plötzlich mit unvermuteter Klarheit, was der Begriff des» Killerinstinktes «bedeutete, von dem er bisweilen gelesen hatte. Dieser Mann hatte einen

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